Ratten, Bisse, Fieber – Rattenbissfieber – Ein selten nachgewiesener Krankheitserreger im Fokus einer erfolgreichen Zusammenarbeit

Ein Bericht aus unserem Laboralltag

Dr. Jörg Rau (CVUAS), Dr. Tobias Eisenberg (LHL)

 

Streptobacillus (S.) moniliformis ist einer der Erreger des sogenannten Rattenbissfiebers. Infektionen mit Streptobacillus werden beim Menschen, wie auch bei Tieren nur sehr selten diagnostiziert. In langjähriger Zusammenarbeit konnten nun unter Federführung des Hessischen Landeslabors (LHL) die analytischen Werkzeuge zum labordiagnostischen Nachweis deutlich verbessert werden. Zudem wurden fünf neue Bakterienarten aus der direkten Verwandtschaft wissenschaftlich beschrieben.

 

Streptobacillus (S.) moniliformis ist einer der Erreger des sogenannten Rattenbissfiebers. Infektionen mit Streptobacillus werden beim Menschen nur sehr selten diagnostiziert. In 2015 sind in der Stadt Stuttgart zwei Fälle bekannt geworden, wobei die Quelle der Infektionen nicht ermittelt werden konnte [1]. Bei einem weiteren Fall erkrankte ein bayerischer Landwirt unter lebensbedrohlichen Symptomen [2]. Die Erkrankung gilt weithin als unter-diagnostiziert. Dies liegt auch an den speziellen Kulturbedingungen, die man zur Anzucht dieser sauerstoffempfindlichen Krankheitserreger benötigt. Dennoch wird angenommen, dass der Erreger bei Ratten in sehr hoher Nachweisrate vorkommt, ohne dass die Tiere daran erkranken.

 

Abb. 1: Zeichnung einer Ratte.Ratten tragen das Bakterium im Nasen-Rachenraum. Sie gelten daher als wichtigstes Reservoir für S. moniliformis. Ein Nagerbiss ist nicht immer die Voraussetzung für Rattenbissfieber - direkter oder indirekter Kontakt mit Ratten oder ihren Ausscheidungen können den Erreger in das menschliche Umfeld eintragen. Die Erkrankung gilt damit als klassische sogenannte Zoonose. Beim Menschen treten nach bis zu drei Wochen Inkubationszeit typischerweise Fieber, Muskel- und Gelenkschmerzen und ein Hautausschlag auf. Weiterhin können Gelenk- und Rachenentzündungen, Erbrechen und in schweren Verlaufsformen auch Herzklappenentzündungen, Blutvergiftung und Abszesse beobachtet werden, wenn eine adäquate medizinische Behandlung zu spät einsetzt. Aus der Vergangenheit sind auch Erkrankungen des Menschen bekannt, die durch kontaminierte Lebensmittel ausgelöst sein sollen. Diese alimentäre Form wird Haverhill-Fieber genannt. Streptobacilli sind aber nicht nur für den Menschen gefährlich, auch Tiere können ernste Erkrankungen erleiden. Grund genug, dass sich Veterinärmediziner des Landesbetriebs Hessisches Landeslabor (LHL) in Gießen intensiver mit Streptobacillus moniliformis  und seinen nahen Verwandten beschäftigt haben.

 

Bis vor kurzem kannte man nur S. moniliformis als einzigen Vertreter der Gattung Streptobacillus. Die Untersuchung von Bakterien mit abweichenden Eigenschaften sowie der Einsatz neuer Methoden zeigten schnell, dass die Gattung Streptobacillus nicht nur aus einer Art bestehen kann: Zuerst beschrieb eine chinesische Forschergruppe S. hongkongensis, isoliert aus Proben von erkrankten Menschen. Dann wurden in kurzer Folge unter Federführung des LHL die Arten

  • S. felis, aus einer Katze (Felis silvestris catus) mit Lungenentzündung [3],
  • S. notomytis, aus einer australischen Hüpfmaus (Notomys alexis) [4], und
  • S. ratti, aus einer japanischen Hausratte (Rattus rattus) [5],

wissenschaftlich beschrieben.

 

Nahverwandte Spezies, denen man aufgrund der Unterschiede sogar neue Gattungen innerhalb der Familie (Leptotrichiaceae) zuweisen konnte, wurden ebenfalls von den Wissenschaftlern erforscht: Die Bakterien Caviibacter abcessus konnten aus Meerschweinchen (Cavia porcellus) mit Lymphknotenabzessen und Oceanivirga salmonicida aus sterbenden Atlantischen Lachsen (Salmon salar) isoliert werden [6, 7]. Teilweise waren die Isolate schon länger  in Stammsammlungen gelagert. Ihre Bedeutung als neue Arten wurde aber erst kürzlich von den Wissenschaftlern erkannt.

 

Abb. 2: Streptobacillus moniliformis im Elektronenmikroskop (Vergrößerung 10.000-fach; CVUA Stuttgart).

Abb. 2: Streptobacillus moniliformis im Elektronenmikroskop (Vergrößerung 10.000-fach; CVUA Stuttgart)

 

In einem aktuellen Review werden von Eisenberg et al., 2016 die modernen Methoden rund um Streptobacillus, einschließlich der MALDI-TOF-Massenspektrometrie (MALDI-TOF MS), einem der inzwischen wichtigsten Werkzeuge unsere täglichen Arbeit, zusammengefasst [8]. So wurden für die neu beschriebenen Familienmitglieder rund um Streptobacillus  nun auch aktuelle MALDI-TOF MS Referenzspektren erstellt, die die zweifelsfreie Identifizierung der Bakterien im Labor stark erleichtern. Die erstellten Massenspektren wurden in den Katalog der Nutzer Plattform "MALDI-UP" eingestellt und können von anderen Anwendern dieser Technik im wissenschaftlichen Austausch angefordert werden [9].

 

Das Chemische und Veterinäruntersuchungsamt (CVUA) Stuttgart hat all diese Arbeiten durch unterschiedliche Beiträge (PCR, MALDI-TOF MS, Infrarotspektroskopie und Elektronenmikroskopie) eines interdisziplinären Teams aus der Biologie, der Tiermedizin und der Lebensmittelchemie begleitet und unterstützt. Ergebnisse dieser langjährigen, erfolgreichen länderübergreifenden Zusammenarbeit wurden neben den u. g. Fachartikeln, auch auf verschiedenen Vorträgen, und nun auch im April auf der Medical Biodefense Conference in München als » Poster dem Fachpublikum vorgestellt.

 

Bildernachweis

Abb. 1: J. Rau; Abb. 2. V. Akimkin (CVUA Stuttgart)

 

Quellen

[1] Regnath T, Kurb N, Wolf M, Ignatius R.
Rat-bite fever – two cases of infection with Streptobacillus moniliformis within two months [in German].
Dtsch Med Wochenschr 2015; 140:741–743.

 

[2] Kondruweit M, Weyand M, Mahmoud FO, Geissdörfer W, Schoerner C, Ropers D, Achenbach S, Strecker T.
Fulminant endocarditis caused by Streptobacillus moniliformis in a young man. J Thorac Cardiovasc Surg. 2007;134:1579–1580.
Erratum in: J Thorac Cardiovasc Surg. 2008: 135:770.

[3] Eisenberg T, Glaeser S, Nicklas W, Mauder N, Contzen M, Aledelbi K, Kämpfer P.

Streptobacillus felis sp. nov. isolated from a cat with pneumonia.
Int J Syst Evol Microbiol 2015; 65:2172–8.

 

[4] Eisenberg T, Glaeser SP, Ewers C, T Semmler, Nicklas W, Rau J, Mauder N, Hofmann N, Imaoka K, Kimura M, Kämpfer P.
Streptobacillus notomytis sp. nov. isolated from an Australian spinifex hopping mouse (Notomys alexis) THOMAS, 1922 and emended description of Streptobacillus Levaditi et al. 1925, Eisenberg et al. 2015 emend.
Int J Syst Evolut Microbiol, accepted 02.10.2015

 

[5] Eisenberg T, Imaoka K, Kimura M, Glaeser SP, Ewers C, T Semmler, Rau J, Nicklas W, Tanikawa T; Kämpfer P.
Streptobacillus ratti sp. nov. isolated from a black rat (Rattus rattus)
Int J Syst Evolut Microbiol, accepted 21.12.2015

 

[6] Eisenberg T, Glaeser SP, Ewers C, Semmler T, Drescher B, Kämpfer P.
Caviibacter abscessus gen. nov. sp. nov., a novel member from the Leptotrichiaceae isolated from guinea pigs (Cavia porcellus)
Int J Syst Evolut Microbiol 2016; in press.

 

[7] Eisenberg T, Kämpfer P, Ewers C, Semmler T, Glaeser SP, Collins E, Ruttledge M, Palmer R
Oceanivirga salmonicida gen. nov. sp. nov., a novel member from the Leptotrichiaceae isolated from Atlantic salmon (Salmo salar)
Int J Syst Evolut Microbiol 2016; in press.

 

[8] Eisenberg T, Ewers C, Rau J, Akimkin V, Nicklas W.
Approved and novel strategies in diagnostics of rat bite fever and other Streptobacillus infrections in humans and animals.

Virulence (2016), Review 18.04.2016: accepted manuscript online

 

[9] Rau J,Eisenberg T, Männig A, Wind C, Lasch P, Sting R .

MALDI-UP – An Internet Platform for the Exchange of MALDI-TOF Mass Spectra, User guide for http://maldi-up.ua-bw.de/
Aspects of food control and animal health 01 2016

 

Artikel erstmals erschienen am 24.05.2016