Erster Nachweis von BTV in Baden-Württemberg

Ein Bericht aus unserem Laboralltag

Dr. Lisa Schneider-Bühl, Dr. Katharina Schwalm-Wunsch

 

Während sich in Bezug auf das aktuelle Tierseuchengeschehen die Aufmerksamkeit vor allem auf die Ausbreitung der Afrikanischen Schweinepest in Hessen, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg richtet, ist die Rückkehr nach Baden-Württemberg einem anderen Virus nicht unerwartet, aber plötzlich gelungen.

 

Abbildung 1: Schafe bei der Schur, Symbolbild

Abbildung 1: Schafe bei der Schur, Symbolbild

 

Der Fall im Rems-Murr-Kreis

Am 02.08.2024 wurde in unserem Labor das Blauzungen-Virus (oder auch Bluetongue-virus, BTV) bei 4 Schafen aus dem Rems-Murr-Kreis in hoher Konzentration nachgewiesen. In dem betroffenen Bestand mit 260 Schafen erkrankten bis zu diesem Zeitpunkt 21 Tiere schwer, 5 davon starben.

 

Weiterführende Untersuchungen am Nationalen Referenzlabor für BTV am Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) auf der Insel Riems charakterisierten den Erreger als BTV des Serotyps 3 (BTV-3). Das zuständige Veterinäramt hat daraufhin am 08.08.2024 den Ausbruch von BTV-3 in Baden-Württemberg amtlich festgestellt. Damit verliert Baden-Württemberg seinen offiziellen Status als „seuchenfrei“ in Bezug auf Infektionen mit BTV gemäß DuVO (EU) 2021/620. Der Verlust des Status hat vor allem starken Einfluss auf den Handel und das Verbringen von empfänglichen Tierarten in BTV-freie Gebiete in Deutschland und innerhalb Europas.

 

Klinische Symptome der aktuellen Infektionswelle

Aktuell zirkuliert BTV-3 u. a. in Belgien, den Niederlanden und Deutschland. Das Nationale Referenzlabor (NRL) für Blauzungenkrankheit am FLI berichtet, dass in Deutschland in den letzten Wochen sehr viele neue BTV-3-Fälle bei Schafen, aber auch Ziegen, Rindern und Kameliden nachgewiesen wurden, häufig in Verbindung mit typischen klinischen Symptomen, wie beispielsweise Fieber, Apathie, Schwellungen und Rötungen der Maulschleimhaut, Lahmheiten und Ausbildung von Kopfödemen. Diese typischen Symptome traten auch beim aktuellen Fall im Rems-Murr-Kreis auf.

 

Der Gesundheitsdienst der Niederlande berichtet, dass in geimpften Herden in dieser neuen BTV-3-Welle insbesondere Lahmheiten aber nur dezente Veränderungen an der Maulschleimhaut beobachtet werden. Der Appetit der Tiere bleibt erhalten und der Gesundheitszustand bessert sich meist nach einigen Tagen. Im Vergleich zur BTV-Welle 2023 werden dort niedrige Sterblichkeitsraten beobachtet. Neben typischen klinischen Symptomen durch eine BTV-Infektion sind die Tiere auch oft durch eine hohe Wurmlast geschwächt. Infektionen mit dem Roten Magenwurm (Haemonchus contortus) beispielsweise können zu ähnlichen Symptomen wie die der Blauzungenkrankheit führen [1]. Es ist wichtig zu beachten, dass nicht alle infizierten Tiere alle diese Symptome zeigen. Einige können symptomlos sein.

 

Erste Fälle von BTV-3 in Deutschland und aktuelle Lage

Das über Gnitzen (kleine blutsaugende Stechmücken) übertragene BTV-3 trat am 12.10.2023 das erste Mal bei einer Schafhaltung in Deutschland (Nordrhein-Westfalen) auf. Seit Mitte Juni 2024 ist die Anzahl der gemeldeten Fälle in den Niederlanden und Deutschland massiv ansteigend. Allein im Monat Juli sind über 1000 Fälle im Tierseuchennachrichtensystem (TSN) gemeldet worden, im August ebenfalls! Darüber hinaus gibt es aber mit Sicherheit viele klinisch nicht Erscheinung tretende bzw. unentdeckte BTV-3-Infektionen.

 

Aktuell gibt es BTV-3-Nachweise in den Bundesländern Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Hessen, Rheinland-Pfalz und neuerdings in Baden-Württemberg sowie unter anderem in Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt. Aufgrund der Vermehrung der Gnitzen in den Sommermonaten lässt die meist stärker ausfallende zweite Infektionswelle in den Monaten September und Oktober eine weitere, massive Ausbreitung von BTV-3 in Deutschland befürchten.

 

Möglichkeit der Impfung

Da die Tiere an einer BTV-3-Infektion schwer erkranken und sterben können, wird dringend eine Impfung dagegen empfohlen. Impfungen sind ein wichtiger Beitrag zur Tiergesundheit und zum Tierschutz. Das NLR für Blauzungenkrankheit am FLI empfiehlt auch bei Schafen die Grundimmunisierung im Prime-Boost-Verfahren (siehe dazu auch Infos des NRL-BT und der StIKo-Vet auf der FLI-Homepage.

Das Land und die Tierseuchenkasse Baden-Württemberg unterstützen finanziell die Schutzimpfung gegen die Blauzungenkrankheit.

 

Infokasten

Blauzungenkrankheit

Die Blauzungenerkrankung (Bluetongue disease – BT) ist eine für den Menschen ungefährliche Viruserkrankung, die vor allem bei Schafen und Rindern vorkommt. Auch Ziegen, Neuweltkameliden und Wildwiederkäuer sind empfänglich. Es gibt klassische 24 Serotypen (BTV-1 bis BTV-24), von denen in Europa bisher die Serotypen 8 und 3 die größte Bedeutung haben.

 

Abbildung 2: Elektronenmikroskopische Aufnahme eines Blauzungenvirus, Vergrößerung 250.000.

Abbildung 2: Elektronenmikroskopische Aufnahme eines Blauzungenvirus, Vergrößerung 250.000

 

Die Übertragung des Virus auf das Tier erfolgt über Gnitzen (kleine blutsaugende Stechmücken), wodurch sich eine saisonale Häufung der Erkrankung in den feuchtwarmen Monaten erklärt.

 

Bildernachweis

Alle Bilder: CVUA Stuttgart

 

Quellen

[1] Erste Untersuchungsergebnisse zur Blauzungenkrankheit

 

Artikel erstmals erschienen am 12.08.2024