Nicht nur für Hasen gefährlich, sondern auch für den Menschen - Jäger sind aufgrund direkten Kontaktes zu erlegten Tieren besonders gefährdet
Dr. Reinhard Sting
Nachdem seit 2008 nun fast jährlich Tularämiefälle bei Feldhasen im Regierungsbezirk Stuttgart bekannt wurden, konnte im April 2013 wieder ein Fall im Rems-Murr-Kreis nachgewiesen werden.
Das weit verbreitete und andauernde (endemische) Auftreten von Tularämie-Fällen in Deutschland war Anlass für das Institut für Bakterielle Infektionen und Zoonosen Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) in Jena Experten zu einem Workshop zur Tularämie am 10. und 11. Mai 2012 einzuladen. Ziel des Workshops war es, sich über neueste Erkenntnisse zum Vorkommen und über aktuelle Methoden des labordiagnostischen Nachweises der Tularämie auszutauschen. In einem gemeinsamen Vortrag des CVUA Stuttgart, des FLI Jena, des Niedersächsischen Landesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, Lebensmittel- und Veterinärinstitut Braunschweig/Hannover (LAVES) in Hannover und des Landesbetriebs Hessisches Landeslabor (LHL) in Gießen wurden gemeinsame Daten ausgewertet und in einem Vortrag im Rahmen des genannten Workshops präsentiert.
Hinweis
Die auch auf den Menschen übertragbare Tularämie tritt, wenn auch nicht häufig, dennoch regelmäßig auf. Aus diesem Grunde sollten Spaziergänger kranke oder tot aufgefundene Hasen und Kaninchen nicht anfassen, sondern den Jagdrevierinhaber (z.B. über die örtliche Polizei) informieren. An Tularämie erkrankte Tiere zeigen oft reduziertes oder fehlendes Fluchtverhalten.
Der Jäger sollte das Tier mit Schutzhandschuhen aufnehmen, sogleich in eine Plastiktüte packen und das Tier zur Untersuchung über das zuständige Veterinäramt oder direkt an ein Untersuchungsamt bringen. Nur durch die Untersuchungen erkrankter und verendeter Hasen ist es möglich, das Wissen über die tatsächliche Verbreitung der auch auf den Menschen übertragbaren Tularämie zu erweitern und ständig zu aktualisieren.
Wir sind auf Ihre Hilfe angewiesen!
Die Tularämie
Die Tularämie kann seit 2008 regelmäßig jährlich mit Ausnahme des Jahres 2011 vor allem im Landkreis Ludwigsburg und im angrenzen Rems-Murr-Kreis nachgewiesen werden. Weitere Landkreise, in denen bisher die Tularämie bei Feldhasen festgestellt werden konnte sind weiter unten aufgelistet. Die Frage, ob es sich um ein räumlich begrenztes oder räumlich ausgedehntes Vorkommen der Tularämie handelt, kann auf der Grundlage der bisherigen Fälle noch nicht abschließend beantwortet werden.
Enger Kontakt zu infizierten Tieren kann auch beim Menschen zu schweren Infektionen führen (Zoonose). Jäger sind besonders gefährdet!
Infokasten
DIE TULARÄMIE
Bei der Tularämie handelt es sich um eine durch das Bakterium Francisella (F.) tularensis hervorgerufene, bei wildlebenden Hasenartigen (Hasen, Kaninchen), Ratten und Nagetieren (Mäuse, Eichhörnchen, Biber) sporadisch auftretende, meist tödlich verlaufende Infektionskrankheit (Hasenpest). Hasenartige und Nagetiere bilden auch das Hauptreservoir für diese Infektionskrankheit, die in der nördlichen Hemisphäre vorkommt. Ebenfalls empfänglich sind weitere Wildtiere (Reh, Fuchs, Wiesel, Igel, u.a.), aber auch unsere Haustiere (Schaf, Rind, Schwein, Hund, Katze, u.a.) und der Mensch (Zoonose!). Jäger sind aufgrund direkten Kontaktes zu erlegten Tieren besonders gefährdet.
Abbildung:
An Tularämie erkrankter und kurz vor dem Auffinden verendeter Feldhase.
Der Erreger
Bei der Spezies F. tularensis unterscheidet man verschiedene Unterarten (Supspezies [subsp.]), von denen F. tularensis subsp. tularensis (früher Typ A) und F. tularensis subsp. holartica (früher Typ B oder F. tularensis var. palaearctica) die wichtigsten in den USA und Europa vorkommenden darstellen. Während die Subspezies tularensis als hochpathogen gilt und zu schweren allgemeinen Infektionen führt, haben Infektionen mit der Subspezies holartica i.d.R. lokale Infektionen der Haut und Schleimhäute zur Folge, können aber vor allem bei massivem Erregerkontakt zu schweren Infektionen führen. Bei den in unseren Regionen isolierten Francisella-Keimen handelt es sich um die Subspezies holartica.
Infektionen beim Menschen
Beim Menschen ist der Krankheitsverlauf von der jeweiligen Subspezies, vom Übertragungsweg, von der Eintrittspforte des Erregers sowie der Erregermenge abhängig. Da die Infektionsdosis mit 10 bis 50 Bakterien sehr gering ist, können vor allem bei direktem Kontakt (Anfassen infizierter Tiere ohne Schutzhandschuhe, Einatmen erregerhaltiger Aerosole beim Zerlegen) mit infizierten Tieren schwere Infektionen entstehen. So erkrankten im Oktober/Anfang November 2005 im Kreis Darmstadt-Dieburg (Südhessen) sieben Jäger durch nachweislichen Kontakt mit Feldhasen an Tularämie. Bei einem der Jäger führte die Infektion sogar zum Tode (Epidemiologisches Bulletin des Robert-Koch-Instituts [RKI], 2005).
Tularämie-Fälle im Regierungsbezirk Stuttgart
- April 2013: Landkreis Rems-Murr
- April und Oktober 2012: Landkreis Ludwigsburg
- März 2010: Landkreis Ludwigsburg.
Mai 2010: Landkreis Rems Murr.
Juni 2010: Landkreis Ludwigsburg.
September 2010: Landkreis Rems Murr.
Oktober 2010: Landkreis Heilbronn.
Oktober: 2010: Landkreis Main-Tauber.
November 2010: Hohenlohekreis. - Mai 2009: Landkreis Heilbronn.
November 2009: Landkreis Ludwigsburg. - März, April und Mai 2008: Landkreis Böblingen.
Pathologie
Die pathologisch-anatomischen Veränderungen reichten in diesen Fällen von fehlenden, direkt auf Tularämie hinweisende Organveränderungen bis zu Fällen mit stark vergrößerter Milz und/oder Leber. Auch wenn sinnfällige Organveränderungen fehlten, zeigten dennoch die histologischen Bilder Zellveränderungen in der Milz. Bakteriologisch-kulturelle Untersuchungen der Organe mittels Glucose-Cystein-Blutagarplatten ermöglichte ein feines, rasenförmiges Wachstum kleiner Bakterien-Kolonien. Weitergehende Untersuchungen zur Identifizierung der Bakterien-Isolate im CVUA Stuttgart mittels FTIR (Fourier-Transformations-Infrarot-Spektroskopie) und 16S rRNA-Gen-PCR mit anschließender DNA-Sequenzierung ermöglichen eine sichere Diagnose, die durch Untersuchungen im Referenzlabor des Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI) in Jena und des Instituts für Mikrobiologie der Bundeswehr in München F. tularensis subsp. holartica abgesichert werden.
Abbildung: Wachstum von Francisella tularensis subsp. holartica auf einer Glucose-Cystein-Blutagarplatte nach Ausstrich von Lungen- und Lebergewebe eines an Tularämie verendeten Feldhasen.
Besonders erwähnenswert ist in diesen Fällen:
- infizierte Tiere sind oft abgemagert.
- oftmals ist die Milz und/oder die Leber sichtbar vergrößert, allerdings können teilweise typische, mit dem bloßen Auge erkennbare, auf Tularämie hinweisende Veränderungen am Tierkörper fehlen (Gewebeveränderungen [Nekrosen] der Leber, Milz oder Lymphknoten geben normalerweise Hinweise auf das mögliche Vorliegen der Tularämie).
- in der Regel ist der Tierkörper massenhaft mit Tularämie-Erregern befallen. Deshalb besteht bei direktem Kontakt oder Einatmen erregerhaltiger Aerosole die Gefahr einer Infektion.
Da eine Infektion mit Tularämie-Erregern nicht immer zu sichtbaren Organveränderungen geführt hat, muss der Jäger beim Ausweiden und Zerlegen von Hasen und Kaninchen aus freier Wildbahn sauber und spritzfrei mit Einwegschutzhandschuhen arbeiten, um einen Kontakt der Haut und Schleimhäute mit Blut und den Organen zu vermeiden. Selbstverständlich sollte sein, dass verendete oder krank erlegte Hasen und Kaninchen nicht aufgebrochen und nicht verfüttert werden.
Literatur
Robert-Koch-Institut (RKI): Tularämie: Ausbruch unter Teilnehmern einer Hasen-Treibjagd im Landkreis Darmstadt-Dieburg Epidemiologisches Bulletin, 16. Dezember 2005 / Nr. 50
http://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2005/Ausgabenlinks/50_05.pdf?__blob=publicationFile
Weitere Informationen im Internet
- Robert-Koch-Institut (RKI)
http://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/T/Tularaemie/Tularaemie.html?cms_lv2=2398236&cms_box=1&cms_current
=Tular%C3%A4mie
- Veterinary Public Health
http://www3.tiho-hannover.de/einricht/who/forum_vph/home/home_d/aufgaben/zoonosen/liste_zoonosen.htm
Bildernachweis:
An Tularämie verendeter Feldhase, Eberhard Reichert, KJV Backnang,
Ausstrich auf Blutagarplatte, CVUA Stuttgart.