Gesundheitsschädlicher Wirkstoff Oxyphenisatin in Schlankheitsmittel aus dem EU-Ausland nachgewiesen

Untersuchungen von Zollproben am CVUA Karlsruhe

Jana Rothfuß, Oliver el-Atma (CVUA Karlsruhe)

 

Die Arzneimitteluntersuchungsstelle am CVUA Karlsruhe erhält regelmäßig Anfragen zur Untersuchung verdächtiger Zollproben. Bei diesen, vor allem Potenz- oder Schlankheitsmitteln, besteht häufig der Verdacht einer privaten Einfuhr illegaler und gesundheitsschädlicher Arzneimittel aus dem Internethandel. Dank interdisziplinärer Zusammenarbeit konnte in einer aktuellen Probe der bereits seit 1987 verbotene Stoff Oxyphenisatin nachgewiesen werden.

Auf dem Bild ist eine Auswahl verschiedener Zollproben zu sehen, welche am CVUA Karlsruheuntersucht werden.

Abb.1 Verdächtige Zollproben zur Untersuchung am CVUA Karlsruhe

 

Arzneimittel-Sendungen aus dem EU-Ausland werden stichprobenartig von der zuständigen Zolldienststelle geprüft. Regelmäßig erhält auch die Arzneimitteluntersuchungsstelle des CVUA Karlsruhe den Auftrag zur Untersuchung von Proben, welche die Zolldienststelle als Verdachtsprobe einstuft. Neben der Aufmachung und der Auslobung bestimmter Wirkungen wird meistens auch die stoffliche Zusammensetzung des Arzneimittels überprüft.

In vielen Fällen handelt es sich bei den verdächtigen Zollproben um die private Einfuhr von Arzneimitteln aus dem Internethandel. Am häufigsten werden diverse Potenzmittel oder Schlankheitsmittel zur Untersuchung eingesandt, bei denen angegeben wird, dass ihre Wirkung auf rein natürliche Inhaltsstoffe zurückzuführen ist. Hinzu kommt, dass diese Produkte häufig nicht als Arzneimittel, sondern z. B. als Nahrungsergänzungsmittel verkauft werden. Ein Großteil dieser Erzeugnisse kommt ursprünglich aus Asien und den USA.

 

Untersuchungen von Zollproben am CVUA Karlsruhe

 

Auf dem Bild ist die Beanstandungsquote der untersuchten Zollproben des Jahres 2021 in einem Diagramm dargestellt

Abb.2: Beanstandungsquote der Untersuchungen von

Zollproben am CVUA Karlsruhe im Jahr 2021

 

Im Jahr 2021 wurden am CVUA Karlsruhe bisher 31 Zollproben arzneimittelrechtlich begutachtet. Von diesen wurden 27 Proben (87 %) beanstandet. Es waren also nur vier der 31 Proben (13 %) unauffällig. Die Beanstandung der 27 Proben beruhte hauptsächlich auf den nachstehenden drei Gründen.

Ein Großteil der Arzneimittelsendungen (71 %) wurde beanstandet, da sie nicht die für Arzneimittel notwendige Zulassung bzw. Registrierung aufweisen konnten. Mit der Zulassung/Registrierung wird u. a. geprüft, ob das Arzneimittel wirksam und unbedenklich ist. Knapp ein Drittel der untersuchten Produkte (32 %) wurde wegen möglicher Gesundheitsrisiken als bedenkliches Arzneimittel beurteilt. Jede fünfte Probe (19 %) war irreführend, dazu gehören beispielweise irreführende Bezeichnungen oder Angaben auf der Verpackung oder nicht deklarierte Wirkstoffe. Bei einigen Proben lagen gleich mehrere dieser Beanstandungsgründe vor (siehe Abbildung 2).

 

Auf dem Bild sind die Gründe in einem Diagramm dargestellt, die bei einem Großteil der Zollproben des CVUA Karlsruhes im Jahr 2021 zu einer Beanstandung geführt haben.

Abb. 3: Beanstandungsgründe, die bei einem Großteil der Zollproben am CVUA Karlsruhe im Jahr 2021 zu einer Beanstandung geführt haben.

 

Es muss jedoch auch beachtet werden, dass am CVUA Karlsruhe nur Proben untersucht werden, welche die Zolldienststelle als Verdachtsprobe einstuft. Die hier genannte Beanstandungsquote kann somit nicht generell auf Arzneimittel-Proben aus dem EU-Ausland übertragen werden.

Die stoffliche Untersuchung von verdächtigen Arzneimittelproben erfolgt im CVUA Karlsruhe in interdisziplinärer Zusammenarbeit von Pharmazeut/innen und Lebensmittelchemiker/innen. Dabei werden vor allem Screening-Verfahren der Gaschromatographie gekoppelt mit Massenspektrometrie (GC-MS) und der Flüssigkeitschromatographie (HPLC) genutzt, sowie umfangreiche Datenbankabgleiche zur Identifizierung unbekannter Stoffe.

 

Aktuelles Beispiel: Oxyphenisatin in Schlankheitsmittel

Bei einer aktuellen Probe (September 2021) wurde ein äußerst bedenklicher Fund gemacht. Es handelte sich dabei um ein Schlankheitsmittel, das laut Deklaration auf natürliche Weise beim Abnehmen hilft. Jedoch konnte mittels des GC-MS-Screeningverfahrens kombiniert mit einer Datenbankrecherche der Wirkstoff Oxyphenisatin nachgewiesen werden, welcher nicht auf der Verpackung deklariert wurde. Das Vorliegen dieser heutzutage in Deutschland nicht mehr erlaubten Substanz konnte durch eine HPLC-Analyse bestätigt und mit einem bedenklichen Gehalt quantifiziert werden.

Was ist Oxyphenisatin?

Bei dem Stoff Oxyphenisatin (Diphenolisatindiacetat) handelt es sich um ein Laxans (ugs. Abführmittel). Aufgrund der abführenden Eigenschaften der Substanz wurde diese früher u. a. als Wirkstoff in diversen Arzneimitteln eingesetzt.

Studien konnten jedoch zeigen, dass Oxyphenisatin zu Leberschäden bis hin zu Leberzirrhose führen kann. Die Risiken überwiegen bei diesem Stoff somit eindeutig den Nutzen, wodurch eine Anwendung medizinisch nicht mehr vertretbar ist. Aus diesem Grund hat das Bundesgesundheitsamt 1987 die Zulassung von Arzneimitteln mit diesem Wirkstoff widerrufen [1]. Seitdem darf Oxyphenisatin nicht mehr in Arzneimitteln verwendet werden.

Das Schlankheitsmittel, in dem das Oxyphenisatin gefunden wurde, war somit nicht verkehrsfähig. Zum einen fehlte dem Arzneimittel die Zulassung, zum anderen handelte es sich aufgrund des nachgewiesenen gesundheitsgefährdenden Inhaltsstoffes auch um ein bedenkliches Arzneimittel.

 

Fazit

Die Untersuchungsergebnisse aus dem Jahr 2021 konnten wieder bestätigen, dass gerade bei der Bestellung von Arzneimitteln aus Nicht-EU-Ländern Vorsicht geboten ist. In vielen Fällen wurde angegeben, dass die Wirkung auf rein natürliche Inhaltsstoffe zurückzuführen ist. Die Untersuchungen zeigten jedoch, dass häufig nicht deklarierte gesundheitsgefährdende Wirkstoffe zugesetzt wurden, welche für die vermeintliche Wirkung ausschlaggebend sind. Oft werden diese Produkte auch nicht als Arzneimittel verkauft, sondern z. B. als Nahrungsergänzungsmittel. Den Verbrauchern und Verbraucherinnen wird daher aufgrund der oft nicht einschätzbaren Gefahr von Bestellungen fragwürdiger Produkte aus dem EU-Ausland abgeraten.

Der aktuelle Fall bekräftigt die Bedeutung der Chemischen und Veterinäruntersuchungsämter für den Verbraucherschutz in Baden-Württemberg. Ohne die Zusammenarbeit der verschiedenen Fachbereiche im CVUA Karlsruhe wäre ein derartiges Untersuchungsergebnis nicht möglich gewesen.

 

Literatur

[1] Bundesgesundheitsamt (1987): Bescheid zur Abwehr von Arzneimittelrisiken, Stufe II; hier: Arzneimittel, die Diphenolisatindiacetat (Diphenisatin) oder Triacetyldiphenolisatin enthalten; Gesch. Z.: G V 42-7251-01-14404/23.

 

 

Artikel erstmals erschienen am 13.01.2022