Entwarnung: Kein Melamin in Proteinpulvern und Nahrungsergänzungsmitteln auf dem deutschen Markt festgestellt

Jennifer Klotz, Dominique Völker, Sibylle Maixner, Manuela Mahler, Marina Gary, Thomas Kuballa, Dirk W. Lachenmeier (CVUA Karlsruhe)

 

Ein Bericht aus unserem Laboralltag

 

Aktuelle Untersuchungsergebnisse aus dem CVUA Karlsruhe zeigen, dass es derzeit keinen Grund zur Sorge um einen verbotenen Einsatz von Melamin in Proteinpulvern und Nahrungsergänzungsmitteln gibt. Mit einer neuen Untersuchungsmethode wurden verschiedene Proben auf Melamin untersucht. Dabei konnten keine Verunreinigungen oder Verfälschungen mit dieser Industriechemikalie festgestellt werden.

 

Hintergrund

 

Mit den Fällen von Lebensmittelbetrug in den Jahren 2006 und 2008 rückte Melamin in den Blick der Öffentlichkeit. Melamin tauchte damals als verbotenes Streckungsmittel in Weizengluten und Milchpulver auf, wovon vor allem Futtermittel und Säuglingsnahrung aus chinesischer Produktion betroffen waren. Dies hatte damals zahlreiche Erkrankungen von Kindern in China zur Folge.
In Europa waren zusammengesetzte Lebensmittel wie Kekse und Schokolade, die aus verunreinigtem Milchpulver aus China hergestellt wurden, mit Melamin belastet [1]. In einer aktuellen Studie aus Südafrika wurde Ende 2015 von Melamin-Kontaminationen in Nahrungsergänzungsmitteln und Sportlerprodukten berichtet mit einer sehr hohen Beanstandungsquote (47 positive Proben von 138 untersuchten Produkten) [2]. Aus diesem Grunde wurde am CVUA Karlsruhe ein Projekt zur Untersuchung dieser Produktgruppe auf Melamin durchgeführt.
 

Melamin

Bei Melamin handelt es sich um eine heterocyclische, aromatische Stickstoffverbindung, die aufgrund ihrer Reaktionsfähigkeit mit Formaldehyd als Ausgangsmaterial zur Herstellung von Kunststoffen eingesetzt wird. Diese Verbindung zeichnet sich vor allem durch einen hohen Stickstoffanteil im Molekül aus. Als häufigste Abbauprodukte sind Cyanursäure, Ammelin und Ammelid bekannt.

 

 

Durch die Verwendung von Melamin bei der Kunststoffherstellung kann dieses in geringen Mengen aus Bedarfsgegenständen, die aus Melaminkunststoffen hergestellt wurden, in Lebensmittel übergehen. Da Melamin die Nieren schon bei geringen Aufnahmemengen schädigen kann, hat die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA eine tolerierbare tägliche Aufnahmemenge (TDI) für Melamin von 0,2 mg pro kg Körpergewicht festgelegt [1].


Die zulässigen Höchstmengen für Melamin in Lebensmitteln sind in der EU-Verordnung über Kontaminanten Nr. 1881/2006 festgelegt. Danach dürfen in Lebensmitteln des Allgemeinverzehrs wie in den aktuell überprüften Proben maximal 2,5 mg/kg Melamin nachweisbar sein. Aufgrund der besonderen Schutzbedürftigkeit darf pulverförmige Säuglingsanfangsnahrung (von Geburt an verwendbar) und Folgenahrung (ab dem 6. Monat) nur maximal 1 mg/kg Melamin enthalten.

 

Warum wird Melamin Lebensmitteln zugesetzt?

 

Die Qualität einer Proteinzubereitung bzw. eines Futtermittels ist hauptsächlich von seinem Eiweißgehalt abhängig. Die Menge an Eiweiß wird in der Regel in Standardanalysenverfahren (Kjeldahl- oder Dumas-Methode) über den Stickstoffgehalt bestimmt. Um eine unerlaubte Streckung von proteinhaltigen Lebensmitteln bzw. Futtermitteln zu erreichen, wurde ihnen Melamin zugesetzt, denn Melamin oder auch Cyanursäure täuschen durch ihren hohen Stickstoffanteil im Molekül wertvolles Eiweiß vor. Sofern keine spezifischen Analysen erfolgen, kann eine solche Verfälschung nicht auf Anhieb aufgedeckt werden [3].

 

Analysenmethode

 

Um eine mögliche Täuschung aufzudecken, wurde zur Quantifizierung von Melamin eine neue Analysenmethode, die Kernresonanzspektroskopie (engl. Nuclear Magnetic Resonance, NMR), eingesetzt.
Mit dieser Methode können Atomkerne mit ungeradzahliger Kernladung verschiedener Inhaltsstoffe unterschieden und mengenmäßig erfasst werden. Dabei wird nach einer energetischen Anregung der Kernspins durch elektromagnetische Wellen die abgegebene überschüssige Energie der Spins bestimmt. Anschließend wird durch Fourier-Transformation ein Spektrum erzeugt [4].
Das klassische Aufgabengebiet der NMR-Spektroskopie war die Strukturanalyse von isolierten Einzelverbindungen und die Reinheitsüberprüfung von Syntheseprodukten. In der Lebensmittelanalytik wird NMR auch zur nicht-zielgerichteten Analytik eingesetzt. Dabei stellt die Summe der spektralen Informationen einer Probe einen sogenannten „Fingerabdruck“ dar. Dadurch wird eine Echtheitsbewertung sowie eine Aufdeckung von Manipulationen oder Verstößen gegen geltendes Lebensmittelrecht ermöglicht. Die NMR-Spektroskopie kann aber auch zur Quantifizierung von einzelnen Substanzen (zielgerichtete Analyse) eingesetzt werden [5].
Kennzeichnend für diese Analysenmethode ist eine meist sehr geringe Probenvorbereitung verbunden mit einer kurzen Messzeit, was heutzutage einen wichtigen Kostenfaktor darstellt und einen hohen Probendurchsatz erlaubt.
Im Falle der Untersuchung von Proteinpulvern und Nahrungsergänzungsmitteln wird eine Methode angewendet, die es gestattet, mit einem 400 MHz Kernspinresonanzspektrometer die Anwesenheit von Melamin in Lebensmittelproben zu überprüfen. Zunächst erfolgt eine Lösungsmittelextraktion (siehe Info-Kasten), und Melamin zeigt im NMR-Spektrum ein charakteristisches Signal im Bereich von 5.90-5.95 ppm (Abb. 1). Sofern keine Matrixüberlagerungen vorliegen, erlaubt die Methode eine qualitative Bestimmung bis in den Bereich der Höchstmenge für Säuglingsanfangsnahrung (1 mg/kg). Zur Absicherung der Peakzuordnung wurden alle Proben gleichzeitig mit einer Aufstockung mit Melamin-Standard vermessen. Bei positiven Befunden sollte darüber hinaus eine Absicherung mit einer weiteren unabhängigen Methode (z.B. LC/MS/MS [3]) erfolgen. Eine positive Probe aus einer im Projektzeitraum durchgeführten Laborvergleichsuntersuchung wurde durch die NMR-Methode richtig-positiv identifiziert.

 

Extraktion von Melamin aus Lebensmittelproben für die NMR-Bestimmung

Zur Aufarbeitung der Proben wird eine bestimmte Menge Probe (ca. 0,2 g) mit einem Lösungsmittel (DMSO-d6, 1,0 ml) versetzt. Mittels herkömmlicher Zentrifugation war daraus keine klare Messlösung zu erhalten. Aus diesem Grund wurden spezielle Zentrifugenfilter angewendet. In den oberen Einsatz wird Probe mit DMSO-d6 gegeben (1). Durch Zentrifugation des Filterröhrchens bleibt der feste Rückstand im Filter zurück und das in DMSO-d6 gelöste Melamin befindet sich in der abgetrennten Lösung (2).

 

Abb.1 1H-NMR-Spektren von einer Sportlernahrungsprobe im Vergleich zur Standardsubstanz

 

Ergebnisse

 

Bei der Untersuchung von 99 verschiedenen Proteinpulvern sowie Nahrungsergänzungsmitteln konnten keine Gehalte an Melamin mittels 1H-NMR-Spektroskopie nachgewiesen werden. Die schärferen Lebensmittel-Einfuhrkontrollen in Folge des Melamin-Skandals haben offensichtlich zu dem gewünschten Erfolg geführt.

 

 

Quellen

 

[1] EFSA Panel on Contaminants in the Food Chain (CONTAM) and EFSA Panel on Food Contact Materials, Enzymes, Flavourings and Processing Aids (CEF), 2010, Scientific Opinion on Melamine in Food and Feed, EFSA Journal 2010, 8(4):1573

[2] Gabriels, G., Lambert, M., Smith, P., Wiesner, L., & Hiss, D. (2015). Melamine contamination in nutritional supplements-Is it an alarm bell for the general consumer, athletes, and ‘Weekend Warriors’?. Nutrition Journal, 14, 69.

[3] Lachenmeier, D. W., Humpfer, E., Fang, F., Schu?tz, B., Dvortsak, P., Sproll, C., & Spraul, M. (2009). NMR-spectroscopy for nontargeted screening and simultaneous quantification of health-relevant compounds in foods: the example of melamine. Journal of Agricultural and Food Chemistry, 57(16), 7194-7199.

[4] Gunther, 1983, NMR-Spektroskopie, 2. Auflage, Thieme-Verlag

[5] Kuballa, T., Monakhova, Y. B., Straub, I., Kohl-Himmelseher, M., Tschiersch, C., & Lachenmeier, D. W. (2012). Kernresonanzspektroskopie (NMR) und Chemometrie in der amtlichen Überwachung von Lebensmitteln, Kosmetika und Arzneimitteln, Lebensmittelchemie, 66, 135-137.

 

 

 

Artikel erstmals erschienen am 05.08.2016