Fakten oder Fake News - Graphenoxid in löslichem Kaffee?

Feranika Schworm, Franziska Ruf, Dr. Dirk Lachenmeier (alle CVUA Karlsruhe)

 

Durch eine Verbraucheranfrage wurden wir auf die in Internetforen geäußerte Verschwörungstheorie aufmerksam, dass Hersteller von löslichem Kaffee die Bevölkerung mit dem Stoff Graphenoxid vergiften sollen. In diesem Beitrag enttarnen wir diese Theorie als „Fake News“.

Zu sehen ist ein Teelöffel mit löslichem Kaffee in Granulatform, der von einigen ganzen Kaffeebohnen sowie einem hufeisenförmigen Magnet umgeben ist.

Abb. 1: Enthält löslicher Kaffee magnetische Stoffe? (Foto: Laura Riedel, CVUA Karlsruhe)

 

Gerüchte über Graphenoxid in Impfstoff und löslichem Kaffee

Im Sommer 2021 tobte die Gerüchteküche bezüglich der Frage, ob Graphenoxid tatsächlich in den in Deutschland zugelassenen Covid-19-Impfstoffen enthalten sei. Das Graphenoxid führe dabei angeblich zu einer magnetischen Einstichstelle nach der Impfung. Dies wurde bereits durch eine umfassende Recherche vom unabhängigen Recherchezentrum Correctiv als Falschmeldung identifiziert: Graphenoxid wird zwar als Hilfsstoff für Impfstoffe erforscht, ist aber derzeit weder zugelassen noch in einem der Covid-19-Impfstoffe enthalten [1].

Was ist Graphenoxid?

Bei Graphenoxid handelt es sich um ein Material, das durch Oxidation von Graphen oder Graphit hergestellt werden kann. Es besteht aus hexagonal aufgebauten Kohlenstoffatomen und verschiedenartigen sauerstoffbasierten funktionellen Gruppen. Durch Modifikation des Graphenoxids mit weiteren Atomen oder Molekülen lassen sich die Eigenschaften des Materials entscheidend beeinflussen [2]. Die Herstellung von magnetischem Graphenoxid erfolgt beispielsweise über die chemische Modifikation von Graphenoxid mit Eisenoxid-Nanopartikeln [3].

 

Graphenoxid und Graphen bieten aufgrund ihrer Eigenschaften einen interessanten und vielversprechenden Forschungsansatz für die Entwicklung und Herstellung neuartiger Produkte [2]. Einige Forschungsansätze beschäftigen sich beispielsweise mit der Anwendung in Form von Membranen und Beschichtungen (z. B. Verpackungsmaterialien). Weitere Anwendungsgebiete sind Materialien für den medizinischen Bereich, Korrosionsschutz, Energiespeicher und Sensoren [4]. Kommerziell sind derzeit jedoch noch keine Verbraucherprodukte mit Graphenoxid zu erwerben [2].

Vor Kurzem erreichte die Lebensmittelüberwachung in Baden-Württemberg die Anfrage eines besorgten Verbrauchers, der gehört habe, dass löslicher Kaffee mit gesundheitlich bedenklichen Anteilen von Graphenoxid verunreinigt sei. Ursächlich für die Verunsicherung und Nachfrage des Verbrauchers war dabei ein Video, das über verschiedene soziale Netzwerke geteilt wurde. In diesem Video ist zu sehen, wie eine Person löslichen Kaffee mit einem Magneten untersucht und dabei einige scheinbar magnetische Partikel aus der Probe herauszieht. Die Person behauptet dabei, dass es sich bei den magnetischen Partikeln um die Substanz Graphenoxid handele, die absichtlich durch den Hersteller mit dem Ziel der „Vergiftung“ der Verbraucherinnen und Verbraucher dem Kaffee zugesetzt würde.

 

Darf löslicher Kaffee Graphenoxid enthalten?

Löslicher Kaffee ist ein getrockneter, wasserlöslicher Kaffeeextrakt in Pulver- oder Granulatform. Durch Aufgießen mit heißem Wasser entsteht sofort ein Kaffeegetränk. Für löslichen Kaffee besteht ein striktes Reinheitsgebot. Gemäß der Kaffee-Verordnung wird löslicher Kaffee durch Extraktion von geröstetem und gemahlenem Kaffee unter ausschließlicher Verwendung von Wasser als Extraktionsmittel gewonnen und durch den Entzug von Wasser, d. h. Trocknung, konzentriert [5].

 

Löslicher Kaffee darf gemäß den rechtlichen Anforderungen, insbesondere der Kaffee-Verordnung sowie der Verordnung (EG) Nr. 1333/2008, keine fremden Stoffe und somit auch keine Partikel mit magnetischen Eigenschaften enthalten [5,6]. Zwar ist eine Kontamination mit magnetischen Metallteilen z. B. durch Abrieb in der Herstellungs- bzw. Abfüllanlage prinzipiell möglich, jedoch sind der amtlichen Lebensmittelüberwachung keine Fälle bekannt, in denen löslicher Kaffee tatsächlich in flächendeckender Art und Weise mit magnetischen Metallteilen oder anderen magnetischen Partikeln kontaminiert war. Eine derartige Kontamination ist auch nach der Kaffee-Verordnung und dem allgemeinen Lebensmittelsicherheitskonzept (siehe Infokasten unten) technisch zu vermeiden.

 

Daher ist die in den sozialen Netzwerken verbreitete Darstellung, dass löslicher Kaffee generell (magnetisches) Graphenoxid enthalte, nach aktuellem Kenntnisstand absolut unplausibel. Der Einsatz von bisher hauptsächlich in der Forschung genutztem, magnetischem Graphenoxid in löslichem Kaffee ist zudem allein aus Verfügbarkeits- und Kostengründen äußerst unwahrscheinlich.

Wie sorgen die Lebensmittelunternehmen für eine hohe Sicherheit ihrer produzierten Lebensmittel?

Das Lebensmittelsicherheitskonzept in der EU besteht im Wesentlichen aus zwei ineinandergreifenden Teilkonzepten: der betriebsbezogenen Basishygiene und dem produktbezogenen Hazard Analysis and Critical Control Points (HACCP)-Konzept [7]. Nach der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 sind die Lebensmittelunternehmen dazu verpflichtet, ein oder mehrere ständige Verfahren, die auf den HACCP-Grundsätzen beruhen, einzurichten, durchzuführen und aufrechtzuerhalten [8].

 

Beim HACCP-Konzept werden alle Stufen der Lebensmittelproduktion betrachtet. In einem ersten Schritt werden zunächst potentielle Gefahren identifiziert, die die Lebensmittelsicherheit und damit die Gesundheit der Verbraucherinnen und Verbraucher negativ beeinflussen können. Außerdem wird eine Risikoanalyse zur Bewertung einer jeden identifizierten Gefahr durchgeführt (Hazard Analysis). Anschließend werden sogenannte Critical Control Points (CCP) bestimmt und Grenzwerte für diese festgelegt. Mittels Monitoring-Überwachung können die Lebensmittelunternehmen so sicherstellen, dass jeder CCP unter Kontrolle und somit die Lebensmittelsicherheit gewährleistet ist. Für den Fall, dass das Monitoring zeigt, dass ein CCP nicht unter Kontrolle ist, werden die im Vorhinein bestimmten Korrekturmaßnahmen umgesetzt. Die Funktionsfähigkeit des HACCP-Systems wird dabei immer wieder verifiziert. Die vollständige Dokumentation für Verfahren und Messwerte wird zudem vorausgesetzt.

 

In der Lebensmittelindustrie werden im Rahmen des HACCP-Systems zur Sicherstellung, dass in einem Endprodukt keine Metallteile enthalten sind, unter anderem Metalldetektoren und Magnetabscheider am Ende einer Produktionsschiene eingesetzt. Eine flächendeckende Verunreinigung mit magnetischen Partikeln oder gar magnetischem Graphenoxid in löslichem Kaffee erscheint auch unter diesem Gesichtspunkt äußerst fragwürdig.

Unsere Überprüfung widerlegt die Befürchtung des Verbrauchers

Bei jeder Art von Informationen empfiehlt es sich stets die Quellen zu prüfen: Werden Quellen überhaupt angegeben oder basiert die Information auf reinen Behauptungen? Sind die Quellen authentisch, d. h. besitzt die Quelle die Fähigkeit und den Wissensstand, um die Information fundiert zu belegen? Werden die Informationen durch weitere, unabhängige Meldungen bestätigt?

 

Wer auf Nummer sichergehen möchte, kann, falls wie in unserem Fallbeispiel möglich, die Information selbst überprüfen. Dazu wurden im September 2021 fünf verschiedene Proben von löslichem Kaffee erhoben und der Versuchsaufbau aus dem Internetvideo nachgestellt. Jeweils eine Teilprobe aus einer frisch geöffneten Packung wurde auf eine saubere, trockene Fläche überführt und mit einem starken Neodym-Magneten (414 kJ/m3, 52 MGOe, 120 kg Haftkraft) abgefahren.

 

Das Ergebnis: Bei allen 5 Proben von löslichem Kaffee konnten keine magnetischen Partikel nachgewiesen werden. Es bestand keinerlei magnetische Anziehungskraft zwischen den Bestandteilen der löslichen Kaffee-Proben und dem Magneten. Auch 10 weitere in einem Supermarkt direkt getestete Proben von löslichem Kaffee waren vollständig unmagnetisch. Die Information aus dem Video, dass in löslichem Kaffee magnetische Partikel enthalten seien, kann somit als Falschmeldung identifiziert werden. Die Nachweisführung, ob es sich bei den vermeintlichen Partikeln tatsächlich um Graphenoxid handelt, hat sich dadurch erübrigt.

 

Fazit

Informationen über das vermeintlich flächendeckende Vorkommen von magnetischen Graphenoxid-Partikeln in löslichem Kaffee sind aus folgenden Gründen „Fake News“:

 

  1. Es sind der Lebensmittelüberwachung keine Fälle bekannt, in denen es zu einer Verunreinigung von löslichem Kaffee mit magnetischen Partikeln oder magnetischen Metallteilen kam.
  2. Verunreinigungen mit magnetischen Partikeln oder magnetischen Metallteilen in Lebensmitteln werden im Rahmen des HACCP-Systems mittels Magnetabscheidern oder Metalldetektoren erkannt und beseitigt.
  3. Graphenoxid wird zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht kommerziell in Endverbraucherprodukten eingesetzt, sondern befindet sich noch in der Entwicklung [2].
  4. Unsere Prüfung von löslichem Kaffee auf magnetische Partikel war in allen Fällen negativ. Auf der Internetseite der Bundesregierung ist ein allgemeiner Leitfaden zur Erkennung von Falschmeldungen zu finden.

 

Auf der Internetseite der Bundesregierung ist ein allgemeiner Leitfaden zur Erkennung von Falschmeldungen zu finden.

 

Literatur

[1] Jonas, U. (2021). Correctiv Recherchen für die Gesellschaft, Faktencheck - Nein, zugelassene Covid-19-Impfstoffe enthalten kein Graphenoxid, Zugriff am 15.09.2021.

[2] DaNa – Informationen zur Sicherheit von neuen, innovativen Materialein und Nanomaterialien – Graphen, Zugriff am 15.09.2021.

[3] He, Y.; Yi, C.; Zhang, X.; Zhao, W.; Yu, D. (2021). Magnetic graphene oxide: Synthesis approaches, physiochemical characteristics, and biomedical applications. Trends in Analytical Chemistry, (136), 116191.

[4] Smith, A. T.; LaChance, A. M.; Zeng, S.; Liu, B.; Sun, L. (2019). Synthesis, properties, and applications of graphene oxide/ reduced graphene oxide and their nanocomposites. Nano Materials Science, (1), 31-47.

[5] Verordnung über Kaffee, Kaffee- und Zichorien-Extrakte vom 15. November 2001 (BGBl. I S. 3107), die zuletzt durch Artikel 6 der Verordnung vom 5. Juli 2017 (BGBl. I S. 2272) geändert worden ist.

[6] Verordnung (EG) Nr. 1333/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über Lebensmittelzusatzstoffe (ABI. L 256, S. 53).

[7] Bekanntmachung der Kommission zur Umsetzung von Managementsystemen für Lebensmittelsicherheit unter Berücksichtigung von PRPs und auf die HACCP-Grundsätze gestützten Verfahren einschließlich Vereinfachung und Flexibilisierung bei der Umsetzung in bestimmten Lebensmittelunternehmen (2016/C 278/01) (ABl. C 278, S. 1).

[8] Verordnung (EG) Nr. 852/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über Lebensmittelhygiene (ABl. L 139, S. 1).

 

 

Artikel erstmals erschienen am 01.10.2021