Harnstoff-Cremes: Der schmale Grat zwischen Kosmetik und Medizin

Zweckbestimmung und Wirkungsweise machen den Unterschied

Die Sachverständigen der Bereiche kosmetische Mittel und Arzneimittel am CVUA Karlsruhe

 

Harnstoff, auch Urea genannt, wird häufig in besonders feuchtigkeitsspendenden Hautcremes eingesetzt. Zudem gibt es auch Produkte mit besonders hohem Harnstoffgehalt, die beispielsweise gegen Hornhaut, aber auch gegen trockene Hauterkrankungen wie Neurodermitis helfen sollen. Die Produkte sind als kosmetische Mittel, Medizinprodukte und Arzneimittel auf dem Markt. Doch wo liegen hier die Unterschiede?

 

Ellenbogen mit dicker Cremeschicht auf den trockenen Hautstellen.

Harnstoffcremes eignen sich besonders zur Pflege trockener Hautstellen, wie z. B.  am Ellenbogen

 

Insgesamt wurden 41 Creme-Proben für die Untersuchung im Chemischen und Veterinäruntersuchungsamt Karlsruhe erhoben bzw. im Internet als Testkäufe erworben, bei denen Harnstoff in der Bestandteileliste aufgeführt war oder explizit als wirksamer Bestandteil beworben wurde. Davon waren zwei Produkte als Arzneimittel, sieben als Medizinprodukte und 32 als kosmetische Mittel im Verkehr. Neben der Überprüfung der deklarierten Harnstoffgehalte lag ein weiterer Schwerpunkt auf der Prüfung der korrekten Einstufung der Produkte. Insbesondere bei den kosmetischen Mitteln wurde geprüft, ob durch hohe Harnstoffgehalte die Sicherheit der Produkte beeinträchtigt werden könnte.

 

Wirkungen von Harnstoff

Harnstoff ist eine körpereigene Substanz, die u. a. der Regulierung der Hautfeuchtigkeit dient. Aus diesem Grund wird Harnstoff häufig in verschiedenen Cremes für die Haut verwendet, um die feuchtigkeitsregulierende Wirkung zu nutzen. Abhängig von der Art der Emulsion, also der Verteilung der wasser- und fettlöslichen Phasen in der Creme, kann entweder eine rasche oder eine langanhaltende Steigerung der Feuchtigkeitsmenge in der Haut erzielt werden. Insbesondere in Arzneimitteln wird Harnstoff auch dazu verwendet, die Aufnahme anderer Wirkstoffe (z. B. Corticoide) in die tieferen Hautschichten zu verbessern. Als Hilfsstoff wird Harnstoff auch wegen seiner Pufferwirkung zur Stabilisierung des pH-Wertes eingesetzt.

 

Ab einem Anteil von etwa 40 % Harnstoff in einer Creme, kann der Harnstoff eine starke keratolytische Wirkung aufweisen. Keratin ist ein Strukturprotein, das im menschlichen Körper v. a. in Nägeln und Haaren, aber auch in der Haut vorkommt. Durch die Spaltung des Keratins kann mithilfe von Harnstoff-Cremes auch die Reduzierung von Hornhaut erzielt werden. Neben der Verwendung in der Hautpflege dienen solche Zubereitungen auch zur Behandlung von Neurodermitis und Nagelerkrankungen wie Nagelpilz1. Die keratolytische Wirkung beruht überwiegend auf einer Änderung der Keratinstruktur durch physikalische und physikochemische Effekte2.

 

Infokasten

Abgrenzung kosmetische Mittel – Medizinprodukte – Arzneimittel Grundlage für die Abgrenzung zwischen kosmetischen Mitteln, Arzneimitteln und Medizinprodukten sind die gesetzlichen Definitionen der jeweiligen Begriffe3,4,5. Die Unterscheidung zwischen kosmetischen Mitteln und Arzneimitteln bzw. Medizinprodukten ergibt sich überwiegend durch die angegebene Zweckbestimmung (s. Tab. 1). Während Medizinprodukte und Arzneimittel eine krankheitsbezogene Zweckbestimmung wie die Heilung, Linderung oder Verhütung von Krankheiten haben, ist eine solche bei kosmetischen Mitteln aus unserer Sicht nicht möglich. Arzneimittel und Medizinprodukte unterscheiden sich primär in ihrer Wirkungsweise. Bei einem Medizinprodukt darf die pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung nur untergeordnet vorhanden sein. Zu den Medizinprodukten zählen beispielsweise Pflaster, Kontaktlinsen und Implantate. Hinzu kommt, dass eine Einstufung als Arzneimittel auch ohne Angabe einer Zweckbestimmung aufgrund der arzneilichen Wirkung möglich ist (sog. Funktionsarzneimittel).

 

Tabelle 1: Abgrenzungskriterien zwischen kosmetischen Mitteln, Medizinprodukten und Arzneimitteln
  Kosmetische Mittel
nach EG-Kosmetikverordnung
Medizinprodukte
nach Medizinproduktegesetz
Arzneimittel
nach Arzneimittelgesetz
Zweckbestimmung Reinigung, Parfümierung, Änderung des Aussehens, Schutz, Erhalt des gutes Zustandes, Beeinflussung des Körpergeruchs

medizinisch-therapeutisch oder diagnostisch

Wirkungsweise nicht festgelegt physikalisch oder physikochemisch pharmakologisch, immunologisch oder metabolisch
Wirkort äußerlich am Körper oder in der Mundhöhle, nicht systemisch gesamter Körper

 

Warum werden Harnstoffcremes als kosmetische Mittel, Arzneimittel und Medizinprodukte angeboten?

Harnstoff als alleiniger Wirkstoff in z. B. Cremes führt noch nicht zu einer Einstufung als Arzneimittel, da die Wirkungsweise von Harnstoff bei äußerlicher Anwendung durch die Spaltung von Strukturproteinen überwiegend physikalisch ist.

 

Im Rahmen eines Konformitätsbewertungsverfahrens wird geprüft, ob die grundlegenden gesetzlichen Sicherheits- und Leistungsanforderungen erfüllt werden. Ist dies der Fall, darf das Medizinprodukt mit einer CE-Kennzeichnung versehen und vermarktet werden.

 

Aufgrund der Wirkungsweise von Harnstoffcremes ist sowohl eine Einstufung als kosmetisches Mittel oder als Medizinprodukt möglich. Voraussetzung für das Inverkehrbringen von Medizinprodukten ist, dass diese Produkte zur Behandlung oder Linderung von Krankheiten bestimmt sind. Kosmetische Mittel müssen die Anforderungen an die EU-Kosmetikverordnung erfüllen. Hier ist insbesondere die Erstellung eines Sicherheitsberichtes als Teil der Produktinformationsdatei und die Notifizierung vor dem Inverkehrbringen zu beachten. Zwar dürfen – sofern belegbar – hautpflegende Wirkungen auch für geschädigte Haut ausgelobt werden, diese dürfen jedoch nicht den Eindruck vermitteln, dass sie zur Behandlung und Linderung einer Krankheit dienen.

 

Die beiden als Arzneimittel erhobenen Proben enthielten neben Harnstoff noch weitere Wirkstoffe wie die Vitamin-A-Säure Tretinoin, die eine pharmakologische Wirkung aufweist. Allerdings bestehen auch Arzneimittelzulassungen für Produkte, die lediglich Harnstoff als wirksamen Bestandteil enthalten. Diese Zulassungen wurden bereits vor Einführung des Medizinproduktegesetzes erteilt und genießen seither Bestandsschutz.

 

Ergebnisse unserer Untersuchungen

Im Rahmen der chemischen Untersuchungen wurde in allen 41 Proben der Harnstoffgehalt bestimmt. Die Ergebnisse waren sehr erfreulich. Bei allen Cremes, die Angaben zum enthaltenen Harnstoffgehalt trugen, konnten diese Gehalte bestätigt werden.


Zwei Produkte wurden beanstandet, da sie als kosmetische Mittel in Verkehr gebracht wurden, aufgrund ihrer Bestimmung zur Behandlung von Verhornungsstörungen allerdings den Medizinprodukten zuzuordnen sind. Hierbei handelte es sich zudem um Produkte mit sehr hohen Harnstoffgehalten von 40 bzw. 50 %. Bei einer weiteren Creme mit 40 % Harnstoff wurde das Inverkehrbringen als kosmetisches Mittel akzeptiert. Diese Creme wurde als Schrundencreme zur Reduzierung von Hornhaut angeboten. Da normale Hornhaut im Gegensatz zu Verhornungsstörungen keine Krankheit ist, lag hier eine überwiegend kosmetische Zweckbestimmung vor. Für diese Creme wurde allerdings die Empfehlung ausgesprochen, den Sicherheitsbericht auf die Berücksichtigung eventueller nachteiliger Effekte wie Hautirritationen, eine Beeinträchtigung der natürlichen Schutzfunktion der Haut oder eine unerwünschte Erhöhung der Aufnahme anderer Cremebestandteile zu prüfen.

 

Fazit

Bei allen Proben, auf denen ein konkreter Harnstoffgehalt ausgelobt war, konnte dieser analytisch bestätigt werden. Infolge der Überprüfung der Zusammensetzung und der Auslobungen wurde festgestellt, dass zwei Produkte, die als kosmetische Mittel im Verkehr waren, als Medizinprodukte einzustufen sind. Bei einem kosmetischen Mittel mit besonders hohem Harnstoffgehalt wurde die Überprüfung der Sicherheitsbewertung empfohlen. Auf Basis der uns vorliegenden Informationen gehen wir hier bei sachgemäßer Anwendung allerdings nicht von einer Gesundheitsgefahr aus.

 

Bereits 2010 wurden an den CVUAs Freiburg und Karlsruhe Hautpflegemittel auf ihren Harnstoffgehalt untersucht. Die Ergebnisse finden Sie unter https://www.ua-bw.de/pub/beitrag.asp?subid=0&Thema_ID=4&ID=1386&Pdf=No.

 

Quellen

1 PTAheute: Harnstoff (https://www.ptaheute.de/rezeptur/rezeptursubstanzen-von-a-bis-z/rezeptursubstanz/harnstoff/,aufgerufen am 21.04.2020)

2 Pan et al. (2013): Urea: a comprehensive review of the clinical literature, Dermatol Online J. 2013 Nov 15;19(11):20392.

3 EU-Kosmetikverordnung: Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2009 über kosmetische Mittel (ABl. L 342/59), zuletzt geändert durch die Verordnung (EU) Nr. 2019/1966 vom 27. November 2019 (ABl. L 307/15)
4 Medizinproduktegesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. August 2002 (BGBl. I S. 3146), zuletzt geändert durch Artikel 83 des Gesetzes vom 20. November 2019 (BGBl. I S. 1626)
5 Gesetz über den Verkehr mit Arzneimitteln (Arzneimittelgesetz) in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. Dezember 2005 (BGBl. I S. 3394), zuletzt geändert durch Artikel 0 des Gesetzes vom 22. März 2020 (BGBl. I S. 604)

 

 

Artikel erstmals erschienen am 10.03.2021