Naturkosmetik und „naturnahe Kosmetik“ im Trend – Eine „grüne“ Verpackung macht noch kein Naturkosmetikum

Die Sachverständigen des Bereichs kosmetische Mittel am CVUA Karlsruhe

 

„Naturkosmetik im Trend“ titelten wir schon 2009. Dieser Trend ist ungebrochen. Die Zeit ist jedoch nicht stehen geblieben, vielmehr hat sich das Angebot vielfältig erweitert. Zwischen „echten“ Naturkosmetika und konventionellen kosmetischen Mitteln gibt es eine Vielzahl an Produkten, die dem veränderten Bewusstsein und dem Wunsch der Verbraucher nach Natürlichkeit und Nachhaltigkeit Rechnung tragen. Unsere Untersuchungen deckten hier ein erhebliches Irreführungspotential auf.

Das Bild zeigt eine rosafarbene Seerose und mehrere grüne Seerosenblätter im Wasser

Bild: Seerose (© CVUA KA)

 

Woran ist „echte“ Naturkosmetik zu erkennen?

Nach wie vor gibt es weder im europäischen noch im nationalen Recht eine verbindliche Definition von „Naturkosmetik“. Verbraucher und Verbraucherinnen können sich jedoch bei zertifizierter Naturkosmetik an verschiedenen Siegeln wie z. B. Natrue, Cosmos und anderen orientieren, deren Kriterien transparent im Internet zugänglich sind. Hier können sie sich darüber informieren, welche Inhaltsstoffe verwendet werden dürfen, welche Anforderungen an deren Gewinnung gestellt werden und welche Verfahren und Inhaltsstoffe ausgeschlossen sind. So ist beispielsweise der Einsatz von Rohstoffen auf Mineralölbasis - mit Ausnahme einzelner Konservierungsstoffe - oder von Bestandteilen genetisch veränderter Organismen bei allen zertifizierten Naturkosmetika nicht erlaubt.

 

Werden Produkte als „Naturkosmetik“ ohne Zertifizierung bezeichnet, so sollten mindestens die grundlegenden Anforderungen, die in den in Europa relevanten Naturkosmetik-Siegeln definiert sind, erfüllt sein. Dies können aus unserer Sicht die Verbraucher und Verbraucherinnen zu Recht erwarten.

 

Was zeichnet sogenannte „naturnahe Kosmetik“ aus?

„Naturnahe Kosmetik“ ist konventionelle Kosmetik, die einen erhöhten Anteil an Bio-, Natur- oder naturnahen Stoffen enthält oder in Teilbereichen für mehr Natürlichkeit oder Nachhaltigkeit steht. Dabei sind die Grenzen zwischen konventioneller Kosmetik und „echter“ Naturkosmetik fließend. Es gibt eine Vielzahl an Methoden, die eingesetzt werden, um Natur und Umwelt zu schonen. Diese „naturnahen“ Maßnahmen werden auf den Produkten beworben.

 

Zur Verdeutlichung, wie naturnahe Kosmetik hervorgehoben wird, einige gängige Beispiele:

  • „Mit 95 % natürlichen Inhaltsstoffen“
  • „Mit Inhaltsstoffen natürlichen Ursprungs“
  • „Natürlich, da ohne …“
  • häufig in Verbindung mit primär grünen Farben, Abbildungen von Pflanzen und Früchten

 

Durch diese Aussagen sollen kaufentscheidende Unterschiede zu anderen Produkten dargestellt werden. Es bleiben jedoch die Fragen: Was besagen diese Aussagen? Was stellen sich Verbraucher und Verbraucherinnen darunter vor? Welche rechtlichen Grenzen gibt es?

 

Hier ist es wesentlich, dass die Aussagen transparent und verständlich sind. Wie wir uns das vorstellen, kann an einem Beispiel erläutert werden:

Ein Duschgel ist mit der Angabe „mit 87 % natürlichen Inhaltsstoffen“ gekennzeichnet. Ein Duschgel besteht üblicherweise zu 70-85 % aus Wasser. Wird dieser Wassergehalt nicht separat angegeben, ist es für Verbraucher und Verbraucherinnen nicht transparent, ob hier im Extremfall als natürlicher Inhaltsstoff primär nur Wasser enthalten ist und alle anderen Inhaltsstoffe einem konventionellen Produkt entsprechen. Daher halten wir in einem solchen Fall die Angabe des Wasseranteils und die Kenntlichmachung der natürlichen Inhaltsstoffe für erforderlich.

 

Infokasten

Rechtliche Anforderungen an Kosmetische Mittel

Konventionelle und „naturnahe Kosmetik“ sowie Natur- und Biokosmetika sind gleichermaßen kosmetische Mittel und müssen den Anforderungen der EU-Kosmetikverordnung (Verordnung (EG) Nr. 1223/2009) entsprechen. Alle kosmetischen Mittel sind mit einer Liste der Inhaltsstoffe (Ingredients) zu kennzeichnen. Dabei werden alle verwendeten Inhaltsstoffe nach Gewichtsanteilen in absteigender Reihenfolge gelistet, d. h. am Anfang werden die Hauptinhaltsstoffe genannt. Stoffe, die nur in kleinen Mengen enthalten sind, stehen am Ende.

 

Die Regelungen des Artikel 20 der EU-Kosmetikverordnung sollen Verbraucher und Verbraucherinnen vor Irreführung schützen. Weitergehende Anforderungen an die Werbung für kosmetische Mittel definiert die sogenannte Claims-Verordnung (Verordnung (EU) Nr. 655/2013). Hier ist festgelegt, dass Werbeaussagen zu kosmetischen Mitteln stets

  • wahrheitstreu
  • belegbar
  • redlich und
  • lauter

sein sollen. Dem Verbraucher sind verständliche Informationen zum Produkt zur Verfügung zu stellen, anhand derer er eine objektive Kaufentscheidung treffen kann.

 

Wie gelingt „wahrheitstreue“ und „lautere“ Werbung „naturnaher Kosmetik“?

Wie es gelingen kann, mehr Transparenz und Orientierung im Bereich der naturnahen Kosmetik zu erreichen, haben wir im Rahmen des „Dialog Kosmetik“, organisiert durch den Industrieverband Körperpflege- und Waschmittel (IKW), in Diskussion mit Vertretern und Vertreterinnen der Industrie, Wissenschaft, Verbraucherorganisationen und anderen Interessierten diskutiert. Entstanden ist hieraus die Orientierungshilfe „naturnahe Kosmetik“ [1; abzurufen unter Dialog-Kosmetik] als praxisbezogene Hilfestellung.

 

Was sich Verbraucher und Verbraucherinnen unter einem Produkt vorstellen und erwarten, wird wesentlich vom Gesamteindruck des Produktes bestimmt. Dieser setzt sich aus der Präsentation, der Produktbezeichnung, der Auslobung und Werbung zusammen. Daher können solche Produkte immer nur im Gesamtkontext bewertet werden. Im „Dialog Kosmetik“ einigten sich die Beteiligten darauf, dass „Grüne Claims“ (grün = natürlich, naturnah, ökologisch) nicht mit der Auslobung verbunden werden sollten, dass das Produkt auf Grund seiner „Natürlichkeit“ besser oder sicherer ist.

 

Als unlautere Auslobung wird es angesehen, wenn ein Produkt im Vergleich zu einem anderen als natürlicher dargestellt wird, nur, weil bestimmte Inhaltsstoffe abwesend sind. Die Beteiligten waren sich einig, dass sich ein „naturnahes Kosmetikum“ eher durch besonders wertvolle Inhaltsstoffe auszeichnet. Werden bestimmte Inhaltsstoffe in den Vordergrund gestellt, so sollten deren tatsächlicher Nutzen und ihre wesentlichen Eigenschaften auf den Angaben auf der Verpackung deutlich werden. Dies ist insbesondere dann wichtig, wenn diese in vernachlässigbaren Anteilen enthalten sind, oder das Produkt ansonsten einem konventionellen Produkt entspricht. Hier ist vor allem relevant, ob diese Angaben auch belegbar sind.

 

Unsere Untersuchungen

Im Jahr 2020 beanstandete das CVUA Karlsruhe insgesamt 127 kosmetische Mittel aufgrund einer irreführenden Angabe oder Aufmachung. Bei 26 Proben waren wir der Auffassung, dass die Angaben und Aufmachungen zur Natürlichkeit oder Umweltverträglichkeit irreführend sind.

Dabei handelte es sich beispielsweise um Haarprodukte, die mit ihren pflanzlichen Wirkstoffen warben, die Wirkung jedoch auf die ebenfalls enthaltenen Silikonbestandteile zurückzuführen war.

 

Ein Handreiniger, dessen Reinigungswirkung auf Extrakten von Zitrusschalen beruhte, wurde wie ein „natürlicher Handreiniger“ beworben, obwohl die sonstigen Bestandteile nicht natürlichen Ursprungs waren. Dass sich die Auslobung „natürlich“ nur auf die Zitrusextrakte bezog, war nicht erkennbar.

Eine Handcreme enthielt nicht nur natürliche, pflanzliche Stoffe, obwohl die Aussage „100 % Pflanzenkraft“ genau dies vermuten ließ.

Ein Sonnenschutzmittel warb mit seiner Natürlichkeit, obwohl die Lichtschutzfilter denen von konventionellen Sonnenschutzmitteln entsprachen. Eine transparente Darstellung, auf was sich die Natürlichkeit bezog, war nicht vorhanden.

Ein weiterer Trend bei Sonnenschutzmitteln sind Auslobungen als „korallenverträglich“. Diese halten wir allerdings nur dann für berechtigt, wenn für die Gesamtformulierung belegt werden kann, dass keine nachteiligen Auswirkungen auf Korallenriffe zu befürchten sind. Hier wurde beispielsweise ein Produkt beanstandet, bei dem sich bei genauerem Hinschauen nur die Duftkomponenten als leicht biologisch abbaubar erwiesen.

 

Fazit

Eine „grüne“ Verpackung macht noch kein Naturkosmetikum. Wem bei kosmetischen Mitteln Natürlichkeit und Nachhaltigkeit wichtig sind, der sollte die Produkte vor dem Kauf kritisch prüfen. Sofern man ein Siegel mit Zertifizierungskriterien gefunden hat, die den eigenen Erwartungen gerecht werden, kann dies als Orientierung dienen.

Verbraucherinnen und Verbraucher sollten sich folgende Fragen stellen: Welche Erwartung habe ich durch die Aufmachung des Produktes an das kosmetische Mittel? Bestätigen die konkreten Angaben auf der Verpackung und der Inhaltsstoffliste meine Erwartungen? Sind die Kriterien, die ich zur Kaufentscheidung heranziehe, transparent, klar und nachvollziehbar dargestellt oder sind nur isolierte „Grüne Werbeaussagen“, Abbildungen von Pflanzen und grüne Farbe zu sehen? Beziehen sich Auslobungen zu „Bio“ oder „Natur“ nur auf einzelne Inhaltsstoffe oder auf das Gesamtprodukt?

Bei Werbung mit prozentualen Anteilen an natürlichen bzw. naturbasierten Inhaltsstoffen ist Vorsicht geboten. Es sollte den Verbraucherinnen und Verbrauchern bewusst sein, dass dieser Anteil mitunter zum Großteil aus Wasser besteht und die eigentliche Wirkung möglicherweise nur auf den synthetischen Bestandteilen des übrigen Anteils beruht.

 

Literatur

[1] M. Aebersold, A. Borchard-Becker, J. Burfeindt, H. Dittmar, S. Gehrig, B. Hirschmann, B. Huber, B. Irrgang, A. Keck-Wilhelm, E. Kratz, L. Neumann, A. Sättler, S. Schwartau, Orientierungshilfe „Naturnahe Kosmetik“, SÖFW 1+2 (2021), abrufbar unter: https://dialog-kosmetik.de/dokumente/

 

 

Artikel erstmals erschienen am 28.05.2021