Jahresrückblick 2009: Keine großen Tierseuchen, aber viele kleine Brennpunkte
Dr. Klaus-Jürgen Danner und Dr. Dieter Spengler (Autoren der Einzelbeiträge siehe jeweilige Berichte)
Aus der Arbeit der Tiergesundheitsdienste
Insgesamt 2.300 Tierbestände haben die Tiergesundheitsdienste (Bienen-, Euter-, Fisch-, Geflügel-, Rinder-, Schafherden- und Schweinegesundheitsdienst) im Jahr 2009 aufgesucht. Dabei wurden mehr als 40.000 klinische Untersuchungen durchgeführt und 11.000 Proben für weitergehende Untersuchungen entnommen.
Die Gesundheitsdienste der Tierseuchenkasse Baden-Württemberg unterstützen Tierärzte und Tierhalter beim Auftreten besonderer Probleme. Nach eingehender Diagnostik werden Behandlungsvorschläge und Prophylaxemaßnahmen erarbeitet. Auch sind sie am Aufbau und der Durchführung von staatlichen Bekämpfungsprogrammen beteiligt und werden bei Tierschutzfragen beratend oder als Gutachter hinzugezogen.
Neben den bekannten Problemen treten auch immer wieder neue Erkrankungen auf, wie zwei Beispiele aus der Tätigkeit des Rindergesundheitsdienstes zeigen:
Bovine neonatale Panzytopenie („Blutschwitzen der Kälber")
Die seit 2007 erstmals in Deutschland aufgetretene Bovine neonatale Panzytopenie, bisher auch als „Blutschwitzen der Kälber" bezeichnet, ist erstmals auch im Regierungsbezirk Freiburg in 2 Betrieben aufgetreten.
Die Ursachen des Krankheitsgeschehens sind noch nicht eindeutig geklärt. Die Agrarministerkonferenz hat am 30. April 2010 in Plön den Bund gebeten, die Ergebnisse der in vielen Richtungen laufenden Forschungen zum Blutschwitzen der Kälber zu bündeln, eine Bewertung der Ergebnisse durchzuführen und der Agrarministerkonferenz zeitnah zu berichten. Auf Wunsch einiger Länder soll bei dieser Bewertung der neue Wirkstoffverstärker besonders berücksichtigt werden. Die regionale Verteilung der Fälle im Land ist sehr ungleichmäßig. Bisher sind 35 Betriebe im Land betroffen. (s. Abb.)
Bild: Regionale Verteilung der Bovinen neonatalen Panzytopenie (Anzahl betroffene Betriebe je Gemeinde)
Erstes Auftreten der Rinder-Parafilariose in Deutschland:
Im Landkreis Lörrach wurde der Rindergesundheitsdienst zu mehreren Fällen hinzugezogen, bei denen spontane Hautblutungen bei Kühen beobachtet wurden, deren Ursache zunächst unklar war.
Die Rinder zeigten verschieden alte, über den Körper verteilte Blutkrusten auf dem Haarkleid (Abb. 1) sowie teilweise frische Hautblutungen (Abb. 2). Die Erkrankung wurde als die bisher in Deutschland noch nicht beobachtete Parafilariose diagnostiziert. Hervorgerufen wird sie durch den Nematoden (Wurm) Parafilaria bovicola. Die Würmer werden durch Weidefliegen übertragen, wandern durch den Körper des Rindes und bohren sich zur Eiablage durch die Haut, wobei es zu den Blutungen kommt.
Aus der Arbeit der Tiergesundheitsdiagnostik
Infokasten Bienenverluste
Bienenverluste - nicht nur ein deutsches Problem
War der Aufschrei um Völkerverluste bei Bienen in den USA aus Sorge um die Bestäubung von Mandeln und Orangen in industriellen Dimensionen begründet, so sorgt man sich in Europa mehr um das ökologische Gleichgewicht. Das inzwischen berühmte Zitat Einsteins: „Erst stirbt die Biene, dann der Mensch!" erwies sich zwar inzwischen als nicht authentisch, doch in seiner Wirkung hat es sein Ziel nicht verfehlt. Plötzlich suchte auch die Öffentlichkeit nach Erklärungen auf die Frage: „Warum sterben Bienen?" Nicht nur der US-amerikanische Kongress, auch Bundestag und EU-Parlament befassten sich damit. Auf allen Ebenen waren Imker, Verbandsfunktionäre und Wissenschaftler als Gesprächspartner gefragt. Der Fachbereich Bienenkrankheiten hat sich im Berichtsjahr erneut intensiv mit den im Winter auftretenden akuten Völkerverlusten in Baden-Württemberg, Deutschland und Europa beschäftigt und sich auf internationaler Ebene für gemeinsame Forschungs- und Lösungsansätze engagiert.
Vergiftungsfälle bei Tieren - ein Dauerthema
Das CVUA Freiburg beherbergt eines der wenigen auf die Untersuchungen bei Tiervergiftungen spezialisierten Labors in Deutschland. Immer wieder werden dort auch vergiftete Ködermaterialien nachgewiesen. Bei Bussarden, einer Katze sowie Ködermaterial aus einem Hundezwinger wurde beispielsweise das Insektizid Carbofuran gefunden.
Erster Nachweis von Equinem Herpesvirus Typ 4 in Baden-Württemberg
In den Organen eines abortierten Fohlens, welche im Rahmen der Amtshilfe vom CVUA Stuttgart zur Untersuchung eingesandt wurden, ließen sich in der Polymerase Kettenreaktion (PCR) spezifische Genomsequenzen des Equinen Herpesvirus Typ 4 (EHV4) erstmals in Baden-Württemberg nachweisen.
Infokasten Herpesvirus Typ 4 (EHV4)
Das EHV4 kommt in Europa relativ selten vor. Ganz anders verhält es sich mit dem antigenetisch sehr eng verwandten EHV1. Dieses Virus ist der wichtigste virale Aborterreger beim Pferd. Neben Aborten kann es auch Erkrankungen des Atmungsapparates (Rhinopneumonitis) und des Zentralen Nervensystems (Lähmungen) verursachen. Im Gegensatz zum EHV1, bei dem die Symptomatik aufgrund der weiten Verbreitung sehr gut beschrieben ist, basiert das Wissen um diese Infektion überwiegend auf der Beschreibung von Einzelfällen. Laut Literatur treten bei der Infektion mit EHV4 im Vergleich zu EHV1 häufiger respiratorische Symptome als Aborte oder Lähmungen auf. Die Unterscheidung zwischen den beiden Erregern kann nur im Labor erfolgen, da bei diesen Infektionen die pathologisch-anatomischen und histologischen Veränderungen der Organe nahezu identisch sind.
Erste Nachweise von Francisella tularensis ssp. holarctica (Fth), Erreger der Tularämie, im Regierungsbezirk Freiburg
In den Organen zweier Feldhasen und eines Javaneraffen, die zur Feststellung der Todesursache ins CVUA Freiburg eingesandt wurden, fanden sich in der Realtime-PCR Fth-spezifische Genomsequenzen.
Infokasten Tularämie
Die Tularämie ist eine Naturherdinfektion. Bakterien der Gattung Francisella tularensis wurden bereits bei sehr vielen Wirbeltierarten und auch Wirbellosen nachgewiesen. Als Erregerreservoir spielen Hasenartige (Feldhase!) und Wühlmäuse eine bedeutende Rolle. Daneben kommen Arthropoden (Stechfliegen, Zecken, Flöhe usw.) als Reservoir und Überträger ebenfalls eine große Bedeutung zu. So können Zecken z.B. monatelang den Erreger in sich tragen. Von diesen beiden Infektionsquellen kann der Erreger auch auf Haustiere oder auf den Menschen übertragen werden.
Bei an Tularämie verendeten Tieren stellen reiskorngroße bis knotige, teils verkäsende Nekrosen in Lymphknoten, Milz und Leber die wichtigsten pathologisch-anatomischen Veränderungen dar.
Lesen Sie die ausführlichen Berichte:
Jahresbericht 2009 der Tiergesundheitsdienste des CVUA Freiburg
Bildnachweis
CVUA Freiburg, CVUA Stuttgart, Waltenberger (Bienenfoto)