Mykotoxine

Ulrike Kocher, Dr. Gregor Vollmer

 

Mykotoxine sind natürliche sekundäre Stoffwechselprodukte verschiedener Schimmelpilzarten. Diese Giftstoffe können gegenüber Menschen, Tieren und Pflanzen bereits in sehr niedrigen Konzentrationen stark toxische Eigenschaften besitzen. Welche Toxine in welchen Mengen produziert werden ist abhängig von den Temperatur- und Feuchtigkeitsbedingungen, dem Nährstoffangebot und den Entwicklungsphasen der Schimmelpilze.

 

Schimmelpilze gab es schon weit vor den ersten Wirbeltieren; Mykotoxine sind somit keine neuen Verbindungen unserer Zeit. Neu ist lediglich, dass wir heute die Möglichkeit besitzen, niedrige Gehalte dieser komplizierten Verbindungen analytisch nachzuweisen und zu quantifizieren. Weshalb Schimmelpilze überhaupt Mykotoxine bilden, ist noch nicht genau bekannt. Diskutiert werden Schutzwirkungen gegenüber Fressfeinden und Nahrungskonkurrenten. In jedem Fall ist die Kontamination von Lebens- und Futtermitteln durch Mykotoxine ein weltweites Problem.    
Giftstoffe, die in höheren Pilzen wie Fliegenpilz, Knollenblätterpilz oder Satansröhrling enthalten sind, werden nicht von Schimmelpilzen gebildet und sind daher keine Mykotoxine.

 

Lebensmittel sind auf Grund ihrer stofflichen Zusammensetzung häufig optimale Nährböden für Schimmelpilze aller Art. Heute ist eine Vielzahl von Schimmelpilzarten bekannt, die bestimmte Toxine, teilweise sogar mehrere Toxine, produzieren. Bisher konnten weit mehr als 300 verschiedene Mykotoxine identifiziert werden.

 

Die meisten Mykotoxine sind hitzestabil und widerstandsfähig gegenüber den Prozessen, die bei der Produktion oder Verarbeitung von Lebensmitteln angewandt werden. Sie werden beispielsweise bei Backprozessen in der Regel nicht zerstört.


Die einzelnen Schimmelpilzgifte können, unter anderem abhängig von ihrer Konzentration im Lebensmittel, chronisch und / oder akut toxisch sein. Symptome einer akuten Vergiftung, die bei Tieren beobachtet wurden, sind beispielsweise Leber- und Nierenschädigungen, Schädigung des zentralen Nervensystems, Haut- und Schleimhautschäden sowie Beeinträchtigungen des Immunsystems. Einzelne Mykotoxine zeigten auch hormonelle Wirkungen. Nicht akut toxische Toxinmengen können krebserzeugend sein, Erbschäden bewirken oder zu Missbildungen bei Embryos führen.

 

Schimmelpilzkulturen werden auch zur Herstellung bestimmter Lebensmittel, z. B. für Schimmelpilzkäse, verwendet. Hierfür eingesetzte Arten sind keine Toxinbildner und die Lebensmittel daher gesundheitlich unbedenklich.


 
 
 

Ursachen für erhöhte Mykotoxin-Gehalte in Lebensmitteln und Gegenmaßnahmen

Es werden drei Hauptwege unterschieden, über die Mykotoxine in Nahrungs- und Futtermittel gelangen können:

 
  • Primärkontamination

Unter Bedingungen, die einen Befall der Feldfrüchte durch Schimmelpilze begünstigen (Witterung, unzureichende Bodenbearbeitung, Verletzung der Pflanzen durch Vogelfraß oder Insektenbefall, fehlende Fruchtfolge), können Lebensmittelrohstoffe wie Getreide, Nüsse, Obst und Gewürze vor oder nach der Ernte von Schimmelpilzen befallen werden.

 

Bei der weiteren Verarbeitung wird das Pilzmycel stark zerkleinert und im gesamten Lebensmittel verteilt. Eine Schimmelpilzkontamination und die damit verbundene Toxinbildung sind äußerlich meist nicht erkennbar. Der Befall der Pflanzen auf dem Feld wird durch sog. Feldpilze (z. B. Fusarien) verursacht und kann zu Pflanzenkrankheiten und Ernteverlusten führen.

 

Andere Schimmelpilze befallen Nahrungs- und Futtermittel erst nach der Ernte bei ungünstiger Lagerung (sog. Lagerpilze). Zur Vermeidung von Pilzwachstum und möglicher Mykotoxinbildung während der Lagerung sind Lebensmittel umgehend nach der Ernte trocken und möglichst kühl zu lagern.   

 
 
 
  • Sekundärkontamination

Ein bereits fertig gestelltes Lebensmittel kann beispielsweise durch falsche oder zu lange Lagerung verschimmeln. Ein solcher Schimmelbefall ist meist an einem deutlich sichtbaren und charakteristisch (meist blau-grün) gefärbten Schimmelrasen erkennbar. Der Verbraucher kann in diesen Fällen eine mögliche Gefährdung durch Schimmelpilzgifte erkennen.  

 
  • Carry over 

Nutztiere, die mit Mykotoxinen verunreinigte Futtermittel aufgenommen haben, können bestimmte Toxine in ihren Organen einlagern (z. B. Ochratoxin A) und ggf. metabolisieren (z.B. Aflatoxin M1). Auf diese Weise können vom Tier stammende Lebensmittel wie Fleisch, Eier, Milch und Milchprodukte Mykotoxine enthalten, ohne dass dies für den Konsumenten erkennbar ist.


 
 

Was wird zum Schutz des Verbrauchers unternommen?

Die Untersuchung von Lebensmitteln auf toxische Stoffe ist eine wichtige Aufgabe der Lebensmittelüberwachung. Im Rahmen der Zentral- und Schwerpunktbildung in der amtlichen Lebensmittelüberwachung Baden-Württembergs erfolgt die Untersuchung auf Mykotoxine zentral für alle vier Regierungsbezirke am Chemischen und Veterinäruntersuchungsamt (CVUA) Sigmaringen.

 

Von besonderem Interesse für Untersuchungen auf Mykotoxine sind unter anderem Nüsse aller Art (z.B. Haselnüsse, Mandeln, Pistazien, Paranüsse) und daraus hergestellte Produkte (z.B. Nougat, Mandelmus, Nussmassen für Backwaren),
Ölsaaten (z.B. Erdnüsse, Sonnenblumenkerne) und daraus hergestellte Produkte (z.B. Erdnussbutter), getrocknete Früchte (z.B. Feigen, Weintrauben), Getreide und daraus hergestellte Produkte (z.B. Mehl, Brot, Müsli, Teigwaren, Getreidesnacks), Gewürze, Apfelsaft und Apfelmus, Kaffee, Kakao, Pflanzenöle, Traubensaft, Wein, Milch sowie Babynahrung.

 
 

Zur Vermeidung einer Gefährdung der Verbraucher durch mykotoxinbelastete Lebensmittel wurden zwischenzeitlich für folgende Toxine in der Verordnung (EG) 1881/2006 (sowie in der Empfehlung 2013/165/EU zu T-2- und HT-2-Toxin) EU-weit und national in der Kontaminantenverordnung Höchstgehalte festgelegt:

 

•    Aflatoxine B1, B2, G1 und G2
•    Aflatoxin M1
•    Ochratoxin A (OTA)
•    Patulin
•    Deoxynivalenol (DON)
•    Zearalenon
•    Fumonisine B1 und B2
•    T-2- und HT-2-Toxin
•    Citrinin
•    Mutterkornsklerotien

 
 

Für weitere Mykotoxine sind Höchstgehaltsregelungen in Vorbereitung. In vielen Fällen sind die EU-Mitgliedstaaten aufgefordert, Daten über das Vorkommen dieser Mykotoxine in Lebensmitteln zu liefern, um eine Expositionsabschätzung für den Verbraucher durchführen zu können:

 

•    Ergotalkaloide
•    Alternaria-Toxine (5 Toxine)
•    Beauvericin
•    Enniatine A, A1, B und B1



 

Probenahme und Analytik von Mykotoxinen

Schimmelpilze breiten sich in verschiedenen Lebensmitteln meist sehr ungleichmäßig aus. Vor der Untersuchung ist daher ein sehr aufwendiges Probenahmeverfahren erforderlich. Art und Weise der Probenahme sind in der Verordnung (EG) 401/2006 geregelt. Die zu erhebenden Probenmengen betragen bis zu 20 kg pro Charge in einem Betrieb.

 

Diese erhobene Probenmenge wird im Labor zerkleinert und homogenisiert. Für die Analyse werden schließlich je nach Untersuchungsziel zwischen 2 g und 20 g des Homogenisats eingesetzt.    

 

Für die Untersuchung auf Mykotoxine sind hochempfindliche Untersuchungsverfahren erforderlich. Immer mehr halten sogenannte Multimethoden Einzug, mit denen in einem Analysengang mehrere Mykotoxine parallel bestimmt werden können. Hierdurch ist es am CVUA Sigmaringen möglich, Lebensmittel auf alle oben genannten Toxine zu untersuchen. Die Identifizierung und Quantifizierung der Mykotoxine erfolgt mittels Hochdruckflüssigkeitschromatographie (HPLC) und je nach Toxin und Methode mit einem Fluoreszenzdetektor (FLD) oder über massenspektrometrische Detektion (MS/MS).


 

 

 

Artikel erstmals erschienen am 02.11.2017