Unsere Arbeit heute, schützt morgen die Gesundheit der Verbraucherinnen und Verbraucher - Verdeutlicht wird dies am Beispiel unserer Analytik von Opiumalkaloiden in Speisemohn
Jens Kleefeldt, CVUA Sigmaringen
Abb. 1 Morphin
Milchsaft, der in Mohnkapseln enthalten ist, enthält natürlicherweise Opiumalkaloide, wie z. B. Morphin und Codein. Berühren sich Milchsaft und Mohnsamen, was bei falscher Ernte oder Fäulnis passieren kann, kommt es zur Kontamination des Mohnsamens mit den Opiumalkaloiden. Der Verzehr von Speisemohnsamen kann in Abhängigkeit von der enthaltenen Menge an
Opiumalkaloiden durchaus mit einem Gesundheitsrisiko verbunden sein.
Abb. 2 Codein
Morphin wird therapeutisch als starkes Schmerzmittel eingesetzt, Codein zur Behandlung von Husten. Bei einem Menschen können unerwünschte Nebenwirkungen wie Benommenheit, Übelkeit, Erbrechen, sowie Atem- und Herzkreislaufprobleme eintreten. Die Stimmungslage eines Menschen kann durch die Einnahme von Morphin positiv beeinflusst werden. In Tierversuchen hat Morphin außerdem
negative Auswirkungen auf die Entwicklung der Nachkommenschaft und die Fortpflanzung ergeben.
Wir als Zentrallabor für Ölsaaten sind in Baden-Württemberg für die Untersuchung auf Opiumalkaloide in Speisemohn zuständig. Unsere chemisch-analytischen Untersuchungen ergaben in den letzten Jahren immer wieder hohe bis sehr hohe Belastungen von Speisemohn mit Opiumalkaloiden.
Abb. 3 Thebain
Neben den bekannten Hauptalkaloiden Morphin und Codein stand in den zurückliegenden Jahren auch das bisher lediglich als „Mitläufer“ eingestufte Opiumalkaloid Thebain im erweiterten Fokus unserer Überprüfungen. Dabei wurden neben hohen Codeingehalten dann auch erstmalig auffällig hohe Thebaingehalte festgestellt.
Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit aktualisierte im Mai 2018 seine toxikologische Bewertung für Opiumalkaloide in Mohnsamen. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) bewertete im selben Jahr unter Berücksichtigung unserer auffälligen Untersuchungsergebnisse hohe Thebain- und Codeingehalte in Speisemohn (Stellungnahme Nr. 039/2018 des BfR vom 07.12.2018). Mit der Verordnung (EU) 2021/2142 wurden erstmals die seit langem zum Schutz der menschlichen Gesundheit geforderten gesetzlichen Höchstgehalte für Morphin und Codein in Speisemohn und mohnhaltigen Backwaren EU-weit geltend festgelegt. Die Verordnung trat am 26.12.2021 in Kraft und gilt seit dem 01.07.2022. Auch unsere Arbeit und unsere Daten haben zu dieser Höchstmengenfestlegung beigetragen. Aus unserer Sicht ist zwar auch die Festlegung eines gesetzlichen Höchstgehaltes für Thebain wünschenswert, dies ist aber derzeit aufgrund schwieriger toxikologischer Einstufung nicht möglich.
Bild 1: Verbraucher greift im Handel zu Mohn
Die EU-Verordnung legt für ganze oder gemahlene Mohnsamen, die für Endverbraucher in Verkehr gebracht werden, einen Höchstgehalt von 20 mg pro kg fest. Für Backwaren, die Mohnsamen und/oder daraus gewonnene Erzeugnisse enthalten, gilt ein Höchstgehalt von 1,50 mg/kg. Die Höchstgehalte gelten für Erzeugnisse, die nach dem 1. Juli 2022 gewerbsmäßig in den Verkehr gebracht werden. Gemäß der Übergangsregelung dürfen bereits vorher in den Verkehr gebrachte Lebensmittel noch bis zu ihrem Mindesthaltbarkeits- oder Verbrauchsdatum in Verkehr bleiben. Die Höchstgehalte beziehen sich jeweils auf die Summe von Morphin und Codein, wobei für den Codeingehalt ein Faktor von 0,2 verwendet wird. Der Höchstgehalt bezieht sich somit auf die Summe von Morphingehalt + 0,2 x Codeingehalt
(≙ Morphinäquivalente).
Mit der Verordnung (EU) 2021/2142 wurden Höchstgehalte für die Opiumalkaloide Morphin und Codein für Mohnsamen und mohnhaltige Lebensmittel wie folgt eingeführt:
Erzeugnis | Höchstgehalt (mg/kg) |
---|---|
Mohnsamen, ganz oder gemahlen, die für den Endverbraucher in Verkehr gebracht werden | 20 * |
Backwaren, die Mohnsamen und/oder daraus gewonnene Erzeugnisse enthalten | 1,50 * |
* ≙ Morphinäquivalente
Das Chemische und Veterinäruntersuchungsamt Sigmaringen (CVUA) untersuchte im Jahr 2023 insgesamt 25 Proben Speisemohn, der im Einzelhandel für den Endverbraucher angeboten wurde, auf Einhaltung des neuen Grenzwertes für Morphinäquivalente in einer Schwerpunktaktion.
Die Beanstandungsquote lag insgesamt bei 0 %!
Zwar wiesen 3 der 25 Proben Gehalte an Morphinäquivalenten von über 20 mg pro kg auf. Diese Überschreitungen waren allerdings unter Berücksichtigung der Messunsicherheit statistisch nicht gesichert. Damit war in keiner der 25 untersuchten Speisemohnproben eine gesicherte Höchstgehaltüberschreitung festzustellen! Die Untersuchungsergebnisse machen deutlich, dass unsere Arbeit Wirkung zeigt: Durch die Einführung der Höchstgehalte werden die Hersteller und Inverkehrbringer von Speisemohn und mohnhaltigen Backwaren verpflichtet, größte Anstrengungen zu unternehmen, die Gehalte an Opiumalkaloiden in Mohnsamen zu senken um die Höchstgehalte einzuhalten. Dies führt zu einer Verbesserung der Belastungssituation der Verbraucherinnen und Verbraucher durch Opiate in Speisemohn und damit zu einer besseren Lebensmittelsicherheit.
Verbraucher können guten Gewissens im Handel zu Speisemohn greifen! Untersuchungsergebnisse:
Infokasten
Kein Stillstand - die ständige Weiterentwicklung der Analytik erfordert Know-how sowie einen hohen Zeit- und Arbeitsaufwand:
Abb. 4 Oripavin
Die Analytik von Opiumalkaloiden in Lebensmitteln erfolgt mittels einer methanolisch-wässrigen Extraktion, an die sich eine Quantifizierung per HPLC-MS/MS anschließt. Aktuell arbeitet das CVUA Sigmaringen in einer § 64 LFGB-AG mit anderen Laboratorien aus Deutschland und Österreich, dem BfR sowie dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) an der Weiterentwicklung der bisherigen Untersuchungsmethode. Die Fachleute dieser Arbeitsgruppe stammen aus den Bereichen Überwachung, Wissenschaft und Wirtschaft. Ziel des Fachgremiums ist, eine Untersuchungsmethode für unterschiedliche mohnhaltige Lebensmitteln zu standardisieren, diese auf weitere mohntypische Opiumalkaloide, wie z. B. Oripavin, auszudehnen und als amtliche Untersuchungsmethode bundesweit zu implementieren. Zudem soll die Nachweisempfindlichkeit des Analysenverfahrens erhöht werden. Die Methodenentwicklung erfordert einen beträchtlichen Aufwand. Nach vielen Arbeitssitzungen steht das Expertenteam inzwischen vor der Durchführung einer Methodenvergleichsstudie um u. a. die Präzision und Richtigkeit im Zuge der Methodenvalidierung zu bestimmen.
Bild 2: Schale mit Mohnsamen
Bildquellen:
CVUA Sigmaringen