Baden-Württemberg

Chemisches und Veterinäruntersuchungsamt Karlsruhe

Rückstände pharmakologisch wirksamer Stoffe – Untersuchungsergebnisse aus dem Jahr 2020

Franziska Scharmann (CVUA Karlsruhe)

 

Proben im Rahmen des Nationalen Rückstandskontrollplans (NRKP)

Für das Land Baden-Württemberg wurden im Jahr 2020 im Rahmen des NRKP insgesamt 4190 Proben lebensmittelliefernder Tiere am CVUA Karlsruhe auf Rückstände pharmakologisch wirksamer Stoffe analysiert. Diese Proben wurden direkt im Erzeugerbetrieb (17 %) oder im Schlachtbetrieb (83 %) erhoben.

In Proben von 13 untersuchten Tieren (0,3 %) wurden Rückstände pharmakologisch wirksamer Stoffe nachgewiesen. Die meisten der analysierten Stoffe stammten dabei aus der Gruppe der Antibiotika. Lediglich 3 Proben (0,07 %) wurden beanstandet, da die rechtlichen Vorgaben nicht eingehalten wurden. Beanstandet wurden:

 

  •  ein Ferkel, dessen Muskulatur Rückstände des antibiotisch wirkenden Stoffes Tulathromycin oberhalb der zulässigen Höchstmenge enthielt sowie
  • zwei Rinder, in deren Nieren Rückstände an pharmakologisch wirksamen Stoffen mit Gehalten oberhalb der jeweiligen Höchstmengen nachzuweisen waren. Eine Probe enthielt den entzündungshemmenden Stoff Dexamethason, die andere das Antibiotikum Dihydrostreptomycin. Die Muskulatur beider Tiere war im Rahmen der durchgeführten Untersuchungen unauffällig.

 

Weitere Informationen zur bundesweiten Auswertung der Ergebnisse des NRKP finden sich auch auf der Internetseite des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL). Hier werden auch die nationalen Jahresberichte zum NRKP veröffentlicht.

 

Hemmstoffproben auf Grundlage der Tierische Lebensmittel-Überwachungsverordnung (Tier-LMÜV)

Die zuständigen Behörden sind nach § 10 der nationalen Tier-LMÜV verpflichtet, 2 % aller Kälber und 0,5 % aller gewerblich geschlachteten Huftiere auf Rückstände zu untersuchen. Die dadurch geforderte Probenmenge geht über die Anzahl der Proben aus dem – auf europäischen Vorgaben basierenden – NRKP hinaus. Die Differenz der Proben zwischen den Vorgaben des NRKP und der Tier-LMÜV wird direkt in den Schlachtbetrieben erhoben und in der Regel zunächst mittels allgemeinem Hemmstofftest (AHT) untersucht.

 

Der AHT ist ein bakterieller Test, der auf der Wachstumshemmung des Testkeims Bacillus subtilis beruht. Mit dem AHT werden von einem Tier Niere und Muskulatur auf das Vorhandensein von Hemmstoffen überprüft. Der Test ist zwar unspezifisch, aber er gibt in vielen Fällen erste Hinweise auf das Vorhandensein von Tierarzneimitteln (Antibiotika) in den Probenmatrices.

 

In Baden-Württemberg wurden 2020 insgesamt rund 29.000 Tiere mittels AHT untersucht, davon 5.432 am CVUA Karlsruhe. Die anderen Untersuchungen erfolgten zum größten Teil in den Laboren einiger Kreisbehörden mit großen Schlachtbetrieben und ein kleiner Teil wurde am STUA Aulendorf getestet.

 

Fällt der AHT positiv aus, wird die Probe zur chemisch-physikalischen Nachuntersuchung ans CVUA Karlsruhe gesendet, um die Wirkstoffe, die eine Wachstumshemmung verursachen, zu identifizieren und zu quantifizieren.

 

Im Berichtsjahr ergaben sich in Baden-Württemberg bei Proben von 61 Tieren (0,2 %) positive Hemmstoffbefunde. Bei den anschließenden chemisch-physikalischen Bestätigungsanalysen wurden in den Proben von 35 Tieren (0,12 % aller untersuchten AHT-Proben) Rückstände an pharmakologisch wirksamen Stoffen identifiziert. Eine Auflistung dieser Befunde enthält Tabelle 1. Häufig werden in einer Probe auch mehrere Wirkstoffe nachgewiesen. Bei 25 Tieren (0,08 %) überschritten die festgestellten Rückstände die zulässigen Höchstmengen und wurden aus diesem Grund beanstandet.

 

Tabelle 1: Proben mit positivem AHT und anschließendem Rückstandsbefund.

Dargestellt ist jeweils die Gesamtzahl an Muskel- bzw. Nieren-Proben pro identifiziertem Wirkstoff (gesamt) sowie die Anzahl, bei welcher es bei bestimmten Wirkstoffen zu einer Höchstmengenüberschreitung kam (>HM). Mehrfachzählungen sind möglich.

Wirkstoff

Muskel

Niere

  gesamt  

    >HM    

  gesamt  

    >HM    

Amoxicillin 0 0 1 0
Ampicillin 2 0 3 1
Benzylpenicillin 5 0 12 7
Chlortetracyclin 3 1 3 1
Dexamethason 1 1 2 2
Doxycyclin 9 2 6 0
Enrofloxacin/Ciprofloxacin (Summe) 2 1 2 2
Flunixin 0 0 3 1
Ketoprofen 0 0 1 0
Marbofloxacin 1 1 1 1
Meloxicam 3 2 4 4
Oxytetracyclin 3 2 4 2
Sulfadimethoxin 8 8 5 5
Sulfadoxin 1 0 1 1
Tetracyclin 2 2 4 2
Trimethoprim 0 0 4 3
Tulathromycin 2 1 2 0

 

Lebensmittelproben aus dem Handel

Neben den NRKP- und den Hemmstoff-Proben werden in Baden-Württemberg auch Lebensmittel tierischer Herkunft aus dem Handel (amtliche Proben nach dem Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch, LFGB) stichprobenartig auf Rückstände pharmakologisch wirksamer Stoffe überprüft. Das Augenmerk liegt hierbei z. B. auf Proben aus Drittstaaten, da in Nicht-EU-Staaten häufig andere gesetzliche Anforderungen gelten, oder auf Lebensmittel, die in der Vergangenheit schon einmal auffällig waren. Im Jahr 2020 wurden am CVUA Karlsruhe in diesem Zuge insgesamt 777 Proben untersucht. Rückstände pharmakologisch wirksamer Stoffe wurden in 12 Proben (1,5 %) nachgewiesen. Tabelle 2 gibt einen Überblick über die Rückstandsbefunde in den Proben aus dem Lebensmittelhandel.

 

Tabelle 2: LFGB-Proben mit Rückstandsbefunden

 Aufgelistet sind alle Proben, in welchen ein oder mehrere pharmakologisch wirksame Stoffe nachgewiesen wurden, sortiert nach Lebensmittelgruppen. Erläuterung zur Bewertung: "unter HM" = Gehalt des Stoffes in der Probe liegt unterhalb der gesetzlich festgelegten Höchstmenge im entsprechenden Gewebe; "über HM" = die Rückstandshöchstmenge für diesen Stoff wurde in der Probe überschritten; <>HM = der analysierte Gehalt des Stoffes in der Probe lag nicht statistisch gesichert oberhalb der Höchstmenge. *Hinweis zu Semicarbazid: Hier gilt keine gesetzliche Höchstmenge, sondern ein Referenzwert für Maßnahmen (siehe Infokasten).

Proben

Herkunft

Rückstandsbefunde

Beanstandung

Wirkstoff

Wirkstoffgruppe

Bewertung

Fleischstücke Kalb

Gesamtprobenzahl: 75

Kalbsrücken

Niederlande

Doxycyclin

Antibiotika

unter HM

nein

Fleischstücke Huhn

Gesamtprobenzahl: 70

Hähnchen

Österreich

Doxycyclin

Antibiotika

unter HM

nein

Fleischstücke Pute

Gesamtprobenzahl: 75

Putenbrustfilet

Deutschland

Enrofloxacin

Antibiotika

unter HM

nein

Fleischerzeugnisse

Gesamtprobenzahl: 5

Corned Beef

Brasilien

Doramectin

Antiparasitika

unter HM

nein

Verarbeitetes Rindfleisch

(Vorprodukt)

Brasilien

Doramectin

Antiparasitika

über HM

ja

Krebstiere

Gesamtprobenzahl: 78

Party-Garnelen

Vietnam

Trimethoprim

Antibiotika

unter HM

nein

Riesengarnelen

Vietnam

Doxycyclin

Antibiotika

unter HM

nein

White Tiger Shrimps

Vietnam

Doxycyclin,

Oxytetracyclin

Antibiotika

unter HM

nein

Garnelenspieße

Vietnam

Doxycyclin

Antibiotika

unter HM

nein

Därme

Gesamtprobenzahl: 38

Saitlinge

Deutschland

Semicarbazid

Antibiotika

(Metabolit)

unter HM*

nein

Saitlinge

Deutschland

Semicarbazid

Antibiotika

(Metabolit)

unter HM*

nein

Honig

Gesamtprobenzahl: 116

Honig mit Wabenstück

Nicht EU-Länder

(Mischung)

Sulfadimidin

Antibiotika

unter HM

nein

 

Eine Probe (0,13 %) wurde beanstandet, da die gesetzlichen Anforderungen nicht eingehalten wurden. Es handelte sich dabei um gekochtes, zerkleinertes und tiefgekühltes Rindfleisch (ein Vorprodukt, wie es beispielsweise zur Herstellung von Fleischfüllungen verwendet wird) mit Ursprung in Brasilien. Darin wurde Doramectin in einer Menge nachgewiesen, die die zulässige Rückstandshöchstmenge deutlich überschritt. Doramectin gehört zur Stoffgruppe der Avermectine, die in der Tiermedizin als Arzneistoffe zur Behandlung von Parasiten und Würmern eingesetzt werden. Der Rückstandsgehalt in dieser Probe war so hoch, dass bei einer Risikobeurteilung (durchschnittliche Aufnahmemenge des Lebensmittels von einem Vielverzehrer) die duldbare Tagesdosis (Acceptabel daily intake, ADI-Wert) überschritten war. Die Probe wurde deshalb als Lebensmittel, das infolge einer durch einen Fremdstoff bewirkten Kontamination für den Verzehr durch den Menschen ungeeignet ist, beurteilt.

 

Infokasten

Semicarbazid

Semicarbazid (SEM) ist der Hauptmetabolit von Nitrofurazon, einem bakteriostatisch wirkenden Chemotherapeutikum aus der Gruppe der Nitrofurane. Nitrofurazon wird im Organismus rasch metabolisiert, daher lassen sich bereits nach kurzer Zeit analytisch nur noch seine Metaboliten nachweisen. Nitrofurazon steht im Verdacht, mutagen und kanzerogen zu sein, deshalb ist er innerhalb der EU als verbotener Stoff eingestuft und darf lebensmittelliefernden Tieren nicht verabreicht werden.

 

Obwohl es sich bei Semicarbazid um einen verbotenen Stoff handelt, gilt formal rechtlich keine Nulltoleranz in Lebensmitteln. Denn durch die Verordnung (EU) 2019/1871 sind so genannte Referenzwerte für Maßnahmen (RWM) für nicht zulässige pharmakologisch wirksame Stoffe festgelegt. Diese sollen sowohl das toxikologische Potential als auch das analytisch Machbare berücksichtigen. Somit entsprechen Lebensmittel mit Rückständen an Semicarbazid erst dann nicht den rechtlichen Vorgaben, wenn die Konzentration dem RWM entspricht oder diesen übersteigt.

 

Wird ein verbotener Stoff – wie Semicarbazid – nachgewiesen, wird jedoch in jedem Fall (unabhängig von der gefundenen Menge) die zuständige Behörde informiert, damit Nachforschungen angestellt werden können, ob eine vorschriftswidrige Behandlung der Tiere stattgefunden hat.

 

Bei der Bewertung von Semicarbazid-Befunden ist allerdings insbesondere bei zusammengesetzten oder verarbeiteten Lebensmitteln Vorsicht zu wahren, denn der metabolische Abbau von Nitrofurazon ist nicht der einzige Weg zu einer Kontamination von Lebensmitteln mit Semicarbazid. Beispielsweise kann Semicarbazid beim Reinigen und Desinfizieren von Därmen aus natürlicherweise im Darm vorhandenen Aminosäuren gebildet werden. Nur anhand eines analytischen Befundes kann somit nicht festgestellt werden, auf welche Weise es zu solchen Rückständen gekommen ist.

 

Beschwerdeprobe

Darüber hinaus wurde im Jahr 2020 eine Beschwerdeprobe zur Untersuchung auf pharmakologisch wirksame Stoffe eingereicht. Dabei handelte es sich um eine H-Milch aus dem Einzelhandel, die einer Verbraucherin aufgrund eines untypisch bitteren Geschmacks aufgefallen war. Seitens der Beschwerdeführerin wurde befürchtet, dass sich giftige Stoffe in der Milch befinden. Ihre Beobachtung wurde der zuständigen unteren Verwaltungsbehörde gemeldet, die die Probe anschließend dem CVUA Stuttgart zur Beurteilung vorlegte. Ein Teil der Probe wurde mit dem Verdacht auf enthaltene Arzneimittel zur Untersuchung ans CVUA Karlsruhe gesendet.

 

Im Rahmen der durchgeführten Analysen auf pharmakologisch wirksame Stoffe konnten in der Milch die Stoffe Clindamycin und Lincomycin in vergleichsweise hohen Konzentrationen (Clindamycin im Bereich einer therapeutischen Dosis) nachgewiesen werden. Bei beiden Verbindungen handelt es sich um Antibiotika aus der Gruppe der Lincosamide. Da Clindamycin ein chloriertes Derivat des Lincomycins ist, das auch aus diesem hergestellt werden kann, könnte es sich bei dem analysierten Lincomycin-Gehalt um eine herstellungstechnisch bedingte Verunreinigung oder ein Abbauprodukt des Clindamycins handeln.

 

Clindamycin wird als Antibiotikum sowohl in der Humanmedizin als auch in der Tiermedizin bei Hunden und Katzen eingesetzt. Im Gegensatz zu Lincomycin ist Clindamycin jedoch nicht zur Verabreichung bei lebensmittelliefernden Tieren zugelassen und es ist auch kein Arzneimittel für Nutztiere mit diesem Wirkstoff bekannt. Außerdem wird bei der Herstellung von Handelsmilch üblicherweise Milch aus verschiedenen Erzeugerbetrieben in der Molkerei angeliefert, in großen Mengen gemischt und weiterverarbeitet. Der damit verbundene Verdünnungseffekt würde, wenn überhaupt, Rückstandsgehalte in einer anderen Größenordnung erwarten lassen. Dass die Rückstände durch eine Behandlung von Milchkühen in einem Erzeugerbetrieb herrühren, kann deshalb nahezu ausgeschlossen werden.

 

Rein anhand der analytischen Befundlage konnte nicht bestimmt werden, zu welchem Zeitpunkt oder auf welchem Wege die genannten Antibiotika in die Beschwerdeprobe gelangt sind. Eine abschließende Beurteilung war daher nicht möglich.

 

Eine von der zuständigen Lebensmittelüberwachungsbehörde im Handel erhobene Vergleichsprobe desselben Herstellers war innerhalb der durchgeführten Untersuchungen unauffällig.

 

Fazit

Insgesamt lässt sich anhand der Untersuchungsergebnisse des CVUA Karlsruhe – auch aufgrund des großen Umfangs an erhobenen Proben – feststellen, dass Lebensmittel tierischen Ursprungs im Jahr 2020 nur selten Rückstände pharmakologischer Stoffe enthielten und in diesen Fällen die gesetzlichen Rückstandshöchstmengen in der Regel eingehalten wurden. Nur ein sehr geringer Anteil der untersuchten Proben wurde aufgrund von Höchstmengenüberschreitungen beanstandet.

 

Weitere Informationen: Internetseite CVUA Karlsruhe Abt.3 PWS

 

Artikel erstmals erschienen am 27.05.2021 14:54:07

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