Baden-Württemberg

Chemisches und Veterinäruntersuchungsamt Karlsruhe

Kosmetik „ohne Tierversuche“ - Wie die Hersteller sich die Ablehnung von Tierversuchen zu Nutze machen

Die Problematik der Werbung mit Tierversuchsfreiheit

Die Sachverständigen des Kosmetik-Fachbereichs des CVUA Karlsruhe

 

Die Europäische Kosmetikverordnung verbietet seit 2013 die Durchführung von Tierversuchen an kosmetischen Mitteln und deren Bestandteilen. Doch noch immer ist dieses Verbot vielen Verbraucherinnen und Verbrauchern nicht bekannt. Daher sind Hinweise auf Tierversuchsfreiheit nach wie vor ein Kriterium bei der Kaufentscheidung. Doch was sagt der Gesetzgeber dazu? Und wie wird die Sicherheit kosmetischer Mittel trotzdem gewährleistet?


Beim Gang durch den Drogeriemarkt wird sehr schnell deutlich, dass Werbeaussagen zu Tierversuchsfreiheit und Tierschutz wichtige Verkaufsargumente sind. Man findet zahlreiche Produkte mit Werbeaussagen, wie z. B. „ohne Tierversuche“, „not tested on animals“, „ohne Tierversuche hergestellt“, oft auch in Verbindung mit verschiedenen Darstellungen eines Hasen oder geschützten Logos, die Tierversuchsfreiheit und Tierschutz symbolisieren sollen. Aber ist das erlaubt?

  

Hintergrund: Das Tierversuchsverbot in der EU

Tierversuche sind für kosmetische Fertigprodukte seit 2004 und für Bestandteile kosmetischer Mittel seit 2009 EU-weit verboten („Verbot von Tierversuchen“). Seit dem 11. März 2009 ist es außerdem verboten, kosmetische Mittel oder Bestandteile kosmetischer Mittel in der Union in Verkehr zu bringen, die in Tierversuchen getestet wurden („Verbot des Inverkehrbringens“). Ausnahmen dieses Verbots waren zunächst aber noch Tierversuche im Zusammenhang mit der Toxizität (Giftigkeit) bei wiederholter Verabreichung, einschließlich Sensibilisierung der Haut, Karzinogenität1), Reproduktionstoxizität2) und Toxikokinetik3). Für diese Versuche wurde die Frist bis zum 11. März 2013 verlängert. Trotz der Tatsache, dass bis zu dieser Frist nicht alle Tierversuche durch Alternativmethoden ersetzt werden konnten, gilt das Verbot des Inverkehrbringens seit dem 11. März 2013 für alle Tierversuche.

 

1) Karzinogenität: Eigenschaft eines Stoffes, Krebs zu erzeugen.

2) Reproduktionstoxizität: Beeinträchtigungen von Sexualfunktion und Fruchtbarkeit bei Mann und Frau sowie Entwicklungstoxizität bei den Nachkommen.

3) Toxikokinetik: Zeitabhängige, quantitative Konzentration eines Giftstoffes in verschiedenen Bereichen eines Organismus (z. B. in bestimmten Geweben).

 

Warum dürfen nicht alle Produkte, an denen keine Tierversuche durchgeführt wurden, als „tierversuchsfrei“ beworben werden?

Auch wenn Produkte nicht an Tieren getestet wurden, kann die Bewerbung als tierversuchsfrei trotzdem unzulässig sein. Es könnte der Anschein erweckt werden, dass Tierversuchsfreiheit ein besonderes Merkmal der beworbenen Produkte ist und andere Hersteller Tierversuche durchführen. Somit kann der Verbraucher über ein für seine Kaufentscheidung relevantes Kriterium getäuscht werden, da lediglich die gesetzlichen Mindestanforderungen erfüllt werden. In der Europäischen Union sind Werbeaussagen über Kosmetika, die die Vorstellung vermitteln, dass ein Produkt einen bestimmten Nutzen hat, der jedoch nur in der Erfüllung der rechtlichen Mindestanforderung besteht, unzulässig (Punkt 1.3 des Anhangs der VO (EU) 655/2013).


Fazit:  Produkte, die selbst oder deren Bestandteile seit dem Jahr 2004 keinen Tierversuchen zum Zwecke der Einhaltung der Anforderungen der EU-Kosmetikverordnung unterzogen wurden, erfüllen lediglich die rechtlichen Anforderungen und dürfen nicht mit „tierversuchsfrei“ beworben werden.

 

 

Welche Produkte können als „tierversuchsfrei“ beworben werden?

Für kosmetische Mittel oder deren Bestandteile, an denen noch nie - auch nicht vor dem Jahr 2004 - Tierversuche zum Zwecke der Herstellung kosmetischer Mittel durchgeführt wurden, gibt es eine Ausnahme vom Werbeverbot. Allerdings muss der Kosmetikunternehmer dies gegenüber den Behörden eindeutig belegen können.
 

Konkret heißt das: Ein Hersteller kann damit werben, dass keine Tierversuche durchgeführt wurden. Diese Angabe ist jedoch nur zulässig, sofern der Hersteller und seine Zulieferer nachweislich

 

  1. keine Tierversuche für das kosmetische Fertigerzeugnis oder dessen Prototyp oder Bestandteile davon durchgeführt oder in Auftrag gegeben haben und
  2. keine Bestandteile verwendet haben, die in Tierversuchen zum Zweck der Entwicklung neuer kosmetischer Mittel durch Dritte geprüft wurden.

 

Speziell die Anforderung von Punkt 2 stellt eine deutliche Hürde für die rechtmäßige Bewerbung als „tierversuchsfrei“ dar. Für eine Vielzahl kosmetischer Inhaltsstoffe wie Konservierungsstoffe, Farb- und Duftstoffe, Tenside oder Wirkstoffe liegen in der wissenschaftlichen Literatur Daten aus Tierversuchen vor. Einen Überblick über toxikologische Daten von Kosmetikbestandteilen, die teils in Tierversuchen gewonnen wurden, gibt beispielsweise die Datenbank des Cosmetic Ingredient Review (CIR) (1). Die für das kosmetische Mittel verantwortliche Person muss also für alle Bestandteile des Mittels nachweisen, dass diese entweder weltweit niemals an Tieren getestet wurden oder diese Versuche nicht zur Entwicklung neuer kosmetischer Mittel durchgeführt wurden. Deshalb gehen wir davon aus, dass eine Auslobung der Tierversuchsfreiheit nur in sehr wenigen Fällen möglich ist.

 

Das Foto zeigt zwei Häschen auf einer Blumenwiese.

Durch Abbildungen von Häschen bei der Bewerbung kosmetischer Mittel wirken diese auf den Verbraucher besonders tierfreundlich. Bild von skeeze auf Pixabay.

 

 

Indirekte Bewerbung mit Tierversuchsfreiheit

Neben der direkten Bewerbung als „tierversuchsfrei“ o. Ä. sind auf kosmetischen Mitteln auch immer wieder Angaben zu finden, die indirekt auf das Tierwohl anspielen. Bei der Beurteilung solcher Angaben ist entscheidend, welche Vorstellungen diese beim Verbraucher erwecken.

 

Durch Slogans wie „Wir kämpfen gegen Tierversuche“ oder „Wir lehnen Tierversuche ab“ wird nicht direkt darauf hingewiesen, dass die betreffenden Hersteller keine Tierversuche durchführen. Bei Verbrauchern könnte allerdings genau diese Vorstellung erweckt werden. Zumindest ist davon auszugehen, dass der Verbraucher irgendeinen Mehrwert der betreffenden Produkte hinsichtlich des Umgangs mit Tierversuchen erwartet.

 

Um den Verbraucher über den tatsächlichen Inhalt solcher Werbeaussagen ausreichend aufzuklären, halten wir einen Hinweis auf das kosmetikrechtlich vorgeschriebene Tierversuchsverbot für erforderlich. Außerdem muss die für das kosmetische Mittel verantwortliche Person diese Werbeaussage, wie im Übrigen auch andere Werbeaussagen, den zuständigen Behörden gegenüber belegen können (Punkt 3.1 des Anhangs der VO (EU) 655/2013). Beispielsweise stellt die finanzielle Unterstützung von Forschungseinrichtungen, die Alternativmethoden zu Tierversuchen entwickeln, einen belegbaren Mehrwert dar. Anhand dieser Belege kann überprüft werden, ob das Engagement der werbenden Firmen tatsächlich in nennenswertem Umfang über die Einhaltung des kosmetikrechtlich vorgeschriebenen Tierversuchsverbots hinausgeht. Nur dann kann sichergestellt werden, dass Verbraucher bei ihrer Kaufentscheidung nicht durch leere Versprechungen beeinflusst werden.

 

Ähnlich verhält es sich bei Slogans wie „Wir lieben Tiere“ oder Häschen-Darstellungen. Auch bei diesen Werbeaussagen entsteht beim Verbraucher der Eindruck, dass diese Produkte besonders tierfreundlich hergestellt wurden oder sich die werbenden Firmen im Tierschutz engagieren. Daher bergen diese Angaben, sofern konkrete Maßnahmen der Firmen bezüglich Tierschutz und/oder Tierversuchsfreiheit gegenüber den zuständigen Behörden nicht belegt werden können, ebenfalls ein gewisses Irreführungspotential.

 

Insbesondere die Verwendung kommerzieller Siegel hat für viele Konsumenten einen hohen Stellenwert. Organisationen, die diese Siegel vergeben, haben für sich feste Kriterien festgelegt, die Firmen zur Erlangung der Siegel einhalten müssen. Doch nach unseren Erfahrungen ist nicht bei allen Siegeln unbedingt ein Mehrwert hinsichtlich Tierversuchsfreiheit und Tierschutz gegeben. Hierbei ist zu beachten, dass die Siegel oftmals von internationalen Organisationen vergeben werden. Diese Siegel sind in Ländern sinnvoll, in denen kein Tierversuchsverbot bei der Entwicklung kosmetische Mittel herrscht. Innerhalb der Europäischen Union gehen die Anforderungen vieler Siegel nach unseren Erkenntnissen allerdings nicht über das gesetzliche Mindestmaß hinaus. Daher können auch diese Siegel bei Verbrauchern den Anschein eines Mehrwertes hinsichtlich des Tierschutzes und der Tierversuchsfreiheit erwecken, wo eigentlich nur die rechtlichen Vorgaben der EU eingehalten werden. Hier ist ebenfalls zu belegen, inwiefern ein zusätzlicher Tierschutznutzen gegeben ist.

 

 

Sind kosmetische Mittel auch ohne Tierversuche sicher?

Auch wenn innerhalb der Europäischen Union keine Tierversuche mehr zur Sicherstellung der gesundheitlichen Unbedenklichkeit kosmetischer Mittel durchgeführt werden dürfen, muss diese trotzdem gewährleistet sein.

 

Bevor ein kosmetisches Mittel auf dem europäischen Markt bereitgestellt wird, muss dafür eine Sicherheitsbewertung durch eine qualifizierte Person durchgeführt werden. Hierbei wird u. a. anhand der toxikologischen Profile der Bestandteile des Kosmetikums und dem zu erwartenden Gebrauch beurteilt, ob das kosmetische Mittel sicher ist.


Auch wenn mittlerweile keine Tierversuche mehr zur Entwicklung kosmetischer Inhaltsstoffe durchgeführt werden dürfen, können die vor dem Tierversuchsverbot gewonnenen Daten weiterhin für Sicherheitsbewertungen verwendet werden. Außerdem wird ständig an der Entwicklung sogenannter Alternativmethoden gearbeitet. Hierbei handelt es sich um in-vitro- und/oder in-silico-Testmethoden. Bei in-vitro-Testmethoden werden toxikologische Untersuchungen an Zell- oder Gewebekulturen statt an lebenden Tieren durchgeführt. In-silico-Methoden nutzen bestehende toxikologische Daten, um computerbasiert Daten für strukturell ähnliche Inhaltsstoffe vorherzusagen (2).

 

 


(1): Cosmetic Ingredient Review,  https://www.cir-safety.org/

(2): EU Reference Laboratory for alternatives to animal testing (ECVAM),
https://ec.europa.eu/jrc/en/eurl/ecvam/faqs

 

 

Artikel erstmals erschienen am 17.10.2019 13:11:37

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