Baden-Württemberg

Chemisches und Veterinäruntersuchungsamt Freiburg

Nachweis von per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen (PFAS) in Fischen aus dem Bodensee – Ergebnisse eines Untersuchungsprogramms aus dem Jahr 2020

Dr. Christina Riemenschneider, Jannik Zielinski, Silja Laufer (CVUA Freiburg)

 

Per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen (PFAS) sind eine Gruppe von hoch persistenten, synthetisch hergestellten Industriechemikalien, die in den letzten 15 Jahren durch ihr weltweites Vorkommen in verschiedenen Umweltkompartimenten viel Aufmerksamkeit unter Wissenschaftlern und Behörden erlangt haben. Insbesondere langkettige perfluorierte Alkylsäuren (PFAA) reichern sich im Organismus an und können gesundheitliche Auswirkungen haben. Der Verzehr von Fisch ist für viele langkettige PFAA der Hauptexpositionspfad für den Menschen.

 

Im September 2020 hat die europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) neue und deutlich geringere als die bisher zugrunde gelegten toxikologischen Referenzwerte für ausgewählte PFAS veröffentlicht. In der Folge müssen dadurch sehr empfindliche Analysemethoden entwickelt werden. Die Herabsetzung der Referenzwerte bedeutet auch für die Lebensmittelüberwachung bei der Analyse und Beurteilung von PFAS in Lebensmitteln eine große Herausforderung. Die EFSA geht davon aus, dass ein Großteil der europäischen Bevölkerung die tolerable wöchentliche Aufnahmemenge an PFAS überschreitet.

 

Weitere Hintergrundinformationen zu PFAS

Entwicklung der toxikologischen Referenzwerte für PFAS

Für PFAS existieren weder auf EU-Ebene, noch national festgelegte Höchstgehalte in Lebensmitteln. Jedoch hat die EFSA die beiden Leitsubstanzen Perfluoroktansäure (PFOA) und Perfluoroktansulfonsäure (PFOS) im Jahr 2008 erstmals toxikologisch bewertet und jeweils eine tolerable tägliche Aufnahmemenge (TDI) abgeleitet [1].

Eine toxikologische Neubewertung dieser beiden Verbindungen durch die EFSA führte Ende 2018 mit der Veröffentlichung vorläufiger wöchentlicher Aufnahmemengen zu einer deutlichen Absenkung dieser Werte (um das 80-fache für PFOS und 1750-fache für PFOA) [2].

Basierend auf neuesten Erkenntnissen veröffentlichte die EFSA im September 2020 schließlich eine nochmals deutlich geringere als bisher zugrunde gelegte, gesundheitsbezogene wöchentliche Aufnahmemenge für die Summe von vier PFAS (PFOA, PFOS, Perfluornonansäure (PFNA) und Perfluorhexansulfonsäure (PFHxS)), siehe Abbildung 1 [3].

Abbildung 1: Zeitliche Entwicklung der toxikologischen Referenzwerte, welche von der EFSA 2008, 2018 und 2020 für ausgewählte PFAS abgeleitet wurden. TDI = tolerable tägliche Aufnahmemenge, TWI = tolerable wöchentliche Aufnahmemenge (jeweils in ng/kg Körpergewicht (KG))

Abbildung 1: Zeitliche Entwicklung der toxikologischen Referenzwerte, welche von der EFSA 2008, 2018 und 2020 für ausgewählte PFAS abgeleitet wurden. TDI = tolerable tägliche Aufnahmemenge, TWI = tolerable wöchentliche Aufnahmemenge (jeweils in ng/kg Körpergewicht (KG))

Was ist die TWI?

Die tolerable wöchentliche Aufnahmemenge (TWI) beschreibt eine Stoffmenge, die bei einer lebenslangen wöchentlichen Aufnahme als gesundheitlich unbedenklich angesehen wird. Jedoch wird die TWI speziell für Verbindungen herangezogen, die sich im Körper über einen längeren Zeitraum ansammeln können und nur langsam wieder ausgeschieden werden. Die von der EFSA veröffentlichte Summen-TWI für PFOS, PFOA, PFHxS und PFNA beträgt 0,0044 µg pro kg Körpergewicht pro Woche. Bei einem angenommenen Körpergewicht von 70 kg ergibt sich somit eine als toxikologisch unbedenklich angesehene wöchentliche Aufnahme von 0,31 µg für die Summe von PFOS, PFOA, PFHxS und PFNA. Nach EFSA-Empfehlung von 2012 wird zur Darstellung der als toxikologisch unbedenklich angesehenen Aufnahmemengen ein angenommenes Körpergewicht von 70 kg als europäischer Durchschnittswert herangezogen [4].

Analytik von PFAS in Lebensmitteln am CVUA Freiburg

Das CVUA Freiburg untersucht seit dem Jahr 2014 routinemäßig sowohl tierische als auch pflanzliche Lebensmittel auf PFAS. Die damals entwickelten Analysemethoden erlaubten die Überwachung der bis Ende 2018 gültigen TDI-Werte für PFOS und PFOA. Das Herabsetzen der toxikologischen Referenzwerte ab dem Jahr 2018 hatte jedoch zur Folge, dass das CVUA Freiburg die analytischen Methoden zum Nachweis von PFAS in Lebensmitteln optimieren musste, um deutlich niedrigere Bestimmungsgrenzen erreichen zu können.

Für alle Lebensmittel konnten im vergangenen Jahr durch die Entwicklung neuer Aufarbeitungsmethoden bzw. durch die Optimierung bestehender Verfahren die bisherigen Bestimmungsgrenzen deutlich gesenkt werden. Zudem konnte das Analytspektrum von 21 auf aktuell 29 verschiedene PFAS erweitert werden.

Bodensee-Fisch-Monitoring

Im Jahr 2009 hatte das CVUA Karlsruhe im Rahmen eines breit angelegten Untersuchungsprogramms erstmals Bodenseefische auf PFAS (insgesamt 10 Einzelsubstanzen) untersucht. In 40 der 43 untersuchten Fischfiletproben (93 %) wurde PFOS mit einem durchschnittlichen Gehalt von 9,9 µg/kg nachgewiesen. Neben PFOS wurde in drei Proben auch Perfluordecansäure (PFDA) im niedrigen µg/kg-Bereich nachgewiesen. Weitere PFAS waren in den Fischfiletproben nicht nachweisbar. Unter Berücksichtigung des zum damaligen Zeitpunkt gültigen toxikologischen Referenzwerts für PFOS (150 ng/kg Körpergewicht) war keine Gesundheitsgefährdung des Verbrauchers durch den Verzehr von Bodenseefischen zu erwarten [5].

Hintergrundinformation zum Bodensee

Der Bodensee ist mit einer Oberfläche von insgesamt 536 km² der drittgrößte See in Mitteleuropa und der größte Trinkwasserspeicher in Europa. Er setzt sich aus zwei Becken, dem Ober- und dem Untersee, zusammen. Der Obersee, mit einer Fläche von 473 km² und einer maximalen Tiefe von 254 m, mündet bei Konstanz in den kleineren Untersee, dessen mittlere Tiefe bei 13 m liegt.

Im Jahr 2019 lag der Gesamtertrag der am Bodensee ansässigen Berufsfischerei bei 306 t Speisefischen. Der Bodenseefelchen ist ein bekannter und wohlschmeckender Speisefisch der Region aus der Familie der Lachsfische. Ihm gilt das Hauptinteresse der Bodenseefischerei. So lag der Anteil an Felchen und Barschen mit 100,8 t bzw. 85,3 t bei 61 %. Neben Felchen und Barschen zählen auch Schleien, Brachsen und Karpfen zu den wichtigsten Fischarten der Bodenseefischerei [6].

In den Jahren 2016 bis 2019 untersuchte das CVUA Freiburg im Rahmen der amtlichen Lebensmittelüberwachung 16 Bodenseefelchen (Filetproben) auf 16 PFAS. Mit Ausnahme einer Probe wurde in allen untersuchten Fischfilets (94 %) wiederum PFOS mit einem durchschnittlichen Gehalt von 11 µg/kg (Median ebenfalls 11 µg/kg) nachgewiesen. Weitere PFAS waren auch in diesen Proben nicht nachweisbar.

Ziel des Untersuchungsprogramms 2020

Angesichts der deutlich herabgesetzten toxikologischen Referenzwerte für PFOS und PFOA im Jahr 2018, sowie der inzwischen verbesserten und empfindlicheren Analysemethoden hat das CVUA Freiburg ein erneutes Untersuchungsprogramm von Bodenseefischen im Jahr 2020 durchgeführt.

Ziel dieser Untersuchungen war es, einen umfassenderen Überblick über die PFAS-Gehalte von verschiedenen Fischarten im Ober- und Untersee des Bodensees zu erhalten.

Proben und Probenahmestellen

Die Beprobung im Jahr 2020 erfolgte in Anlehnung an das im Jahr 2009 durchgeführte Untersuchungsprogramm. In den Monaten August und September 2020 wurden insgesamt 140 Fische (80 Felchen, 40 Barsche und 20 Schleien) von sechs verschiedenen Probenahmestellen im Ober- bzw. Untersee untersucht (Abbildung 2).

Abbildung 2: Übersicht der Probenahmestellen im Obersee (1, 3 und 4) bzw. im Untersee (2, 5 und 6) des Bodensees (Untersuchungsprogramm 2020). Bildquelle: Geoportal Baden-Württemberg

Abbildung 2: Übersicht der Probenahmestellen im Obersee (1, 3 und 4) bzw. im Untersee (2, 5 und 6) des Bodensees (Untersuchungsprogramm 2020). Bildquelle: Geoportal Baden-Württemberg

 

Je Probenahmestelle wurden dabei 20 bzw. 40 Fische einer Art beprobt (Tabelle 1). Die Probenahmestellen entsprachen dem für den Aufenthalt der Fische üblichen Stellen. Da Barsche primär in seichterem Gewässer in Ufernähe leben, wurden diese an den in Abbildung 2 markierten Stellen 1 und 2 (Ober- bzw. Untersee) gefangen, während es sich bei Felchen (Abbildung 3) um im Freiwasser lebende Fische handelt, welche an den Stellen 3, 4 und 5 Ober- bzw. Untersee) gefangen wurden. Die Schleien wurden an der Probenahmestelle 6 (Untersee) gefischt. Weiterhin sollte bei der Beprobung berücksichtigt werden, dass es sich um Fischarten handelt, die üblicherweise vermarktet werden und, darüber hinaus, die Fische von einer zum Verzehr üblichen Mindestgröße sind. Letzteres war jedoch für die Schleien nicht umsetzbar (Tabelle 1).

 

Tabelle 1: Anzahl, Gewicht, Länge und Alter der an den entsprechenden Probenahmestellen im Bodensee gefangenen Fische (Untersuchungsprogramm 2020)
Fischart Probenahmestelle Anzahl an Proben Gewicht [g] Länge [cm] Alter [Jahre]
Barsch 1 (Obersee) 20 62 - 144 18 - 23 2 - 4
  2 (Untersee) 20 44 - 182 14 - 24 2 - 5
Felchen 3 (Obersee) 40 208 - 428 29 - 37 3 - 5
  4 (Obersee) 20 162 - 488 28 - 38 2 - 4
  5 (Untersee) 20 184 - 299 28 - 33 2 - 4
Schleie 6 (Untersee) 20 15 - 75 10 - 17 nicht ermittelt

 

Abbildung 3: Im Freiwasser des Obersees gefischter Felchen. Bildquelle: CVUA Freiburg

Abbildung 3: Im Freiwasser des Obersees gefischter Felchen. Bildquelle: CVUA Freiburg

Untersuchungsergebnisse

1) Allgemein

In den 140 untersuchten Fischfiletproben konnten 12 von insgesamt 29 PFAS nachgewiesen werden. Als Hauptvertreter der Verbindungsklasse wurde PFOS in allen Proben, mit einem Median-Gehalt von 10,3 µg/kg und einem Maximalgehalt von 29,8 µg/kg nachgewiesen. Neben PFOS wurden auch PFNA, PFDA und PFHpS, jedoch in deutlich geringeren Konzentrationen, in allen untersuchten Proben detektiert. In Tabelle 2 sind die in der jeweiligen Fischart nachgewiesenen Einzelsubstanzen mit ihren Minimal-, Median-, mittleren und Maximalgehalten aufgeführt.

 

Tabelle 2: PFAS-Befunde in Fischfiletproben aus dem Bodensee in µg/kg (Untersuchungsprogramm 2020).
Min = Minimalgehalt, Max = Maximalgehalt, MW = Mittelwert
Fischart PFNA PFDA PFUnDA PFDoDA PFTrDA PFTeDA PFHpS PFOS PFNS PFDS FOSA 8:2 FTS
Barsch
Min 0,01 0,29 0,09 0,05 0,10 0,05 0,01 3,16 0,01 0,01  - 0,01
Max 0,33 1,75 0,58 0,58 0,47 0,39 0,04 29,81 0,02 0,02  - 0,10
Median 0,06 0,84 0,30 0,24 0,19 0,13 0,02 9,87 0,01 0,02  - 0,02
MW 0,07 0,89 0,31 0,27 0,23 0,15 0,02 12,41 0,01 0,02  - 0,03
Felchen
Min 0,08 0,13 0,05 0,05 0,10 0,05 0,01 4,67  - 0,01 0,05 0,01
Max 0,54 1,54 0,64 0,50 0,44 0,15 0,06 22,57  - 0,01 0,63 0,01
Median 0,26 0,56 0,10 0,08 0,14 0,07 0,03 11,63  - 0,01 0,12 0,01
MW 0,25 0,58 0,12 0,10 0,15 0,07 0,03 11,84  - 0,01 0,15 0,01
Schleie
Min 0,06 0,35 0,31 0,28 0,18 0,08 0,01 1,73  - 0,01  - 0,01
Max 0,22 1,10 1,01 0,90 0,49 0,19 0,02 5,17  - 0,02  - 0,03
Median 0,10 0,69 0,55 0,49 0,33 0,10 0,01 3,27  - 0,01  - 0,02
MW 0,11 0,69 0,57 0,52 0,34 0,11 0,01 3,38  - 0,01  - 0,02
Gesamt
Min 0,01 0,13 0,05 0,05 0,10 0,05 0,01 1,73 0,01 0,01 0,05 0,01
Max 0,54 1,75 1,01 0,90 0,49 0,39 0,06 29,81 0,02 0,02 0,63 0,10
Median 0,17 0,62 0,14 0,13 0,18 0,08 0,03 10,31 0,01 0,01 0,12 0,02
MW 0,18 0,68 0,24 0,22 0,22 0,11 0,03 10,8 0,01 0,01 0,15 0,02

 

2) Konzentration an PFAS in Abhängigkeit von der Probenahmestelle und Fischart

Wie in Abbildung 4 dargestellt, wurden in Barschen aus dem Untersee geringere PFAS-Gesamtkonzentrationen (= ∑29 PFAS) ermittelt als in Barschen aus dem Obersee. Bei den Felchen hingegen waren die Konzentrationen im Obersee und Untersee vergleichbar. Auch im Hinblick auf den Summen-Gehalt der Einzelsubstanzen, für welche die EFSA im Jahr 2020 einen toxikologischen Summen-Referenzwert abgeleitet hat (= ∑PFOS, PFOA, PFNA, PFHxS), bestätigt sich dieses Muster.

Auffällig ist, dass PFOS als Einzelsubstanz in Barschen und Felchen nahezu vollständig den Anteil an der ∑29 PFAS- und ∑PFOS, PFOA, PFNA, PFHxS-Konzentration ausmacht (ca. 88 % und ca. 98 %). Im Vergleich dazu liegt der PFOS-Anteil an der ∑29 PFAS-Konzentration in Schleien bei lediglich 57 %, was auf die höheren Konzentrationen an langkettigen PFAA (PFUnDA, PFDoDA, PFTrDA und PFTeDA) in Schleien zurückzuführen ist (s. Tabelle 2).

 

Im Obersee war in Barschen die ∑29 PFAS-Konzentration mit 17,0 µg/kg (Median) höher als in Felchen mit im Median 12,8 µg/kg (Abbildung 4). Hingegen war im Untersee die ∑29 PFAS- Konzentration in Felchen (Median 13,8 µg/kg) höher als in Barschen (Median 10,0 µg/kg). Dies widerspricht einer möglichen Theorie, dass Raubfische, wie z. B. Barsche, über die Nahrung mehr Kontaminanten aufnehmen und anreichern als Friedfische, wie z. B. Felchen.

 

Abbildung 4: Median-Gehalte in µg/kg per- und polyfluorierter Alkylsubstanzen in Fischfiletproben aus dem Bodensee (Untersuchungsprogramm 2020).

Abbildung 4: Median-Gehalte in µg/kg per- und polyfluorierter Alkylsubstanzen in Fischfiletproben aus dem Bodensee (Untersuchungsprogramm 2020).

3) Konzentration an PFAS in Abhängigkeit von Körpergewicht und -länge der Fische

Auch die Vermutung, dass mit zunehmenden Körpermaßen (Gewicht, Länge) der Gehalt an PFAS in den Fischen zunimmt, konnte nicht bestätigt werden. Wie in Abbildung 5 beispielhaft anhand des Körpergewichts dargestellt, konnte bei den Schleien und Felchen kein direkter Zusammenhang zwischen der ∑29 PFAS-Konzentration und dem Gewicht beobachtet werden. Bei den Barschen lässt sich ebenfalls kein eindeutiger Trend erkennen.

Abbildung 5: ∑29 PFAS-Konzentration im Fischfilet von 20 Schleien (gelb), 40 Barschen (blau) und 80 Felchen (orange) aus dem Ober- und Untersee des Bodensees in Abhängigkeit vom Gesamtgewicht des jeweiligen Fisches (Untersuchungsprogramm 2020).

Abbildung 5: ∑29 PFAS-Konzentration im Fischfilet von 20 Schleien (gelb), 40 Barschen (blau) und 80 Felchen (orange) aus dem Ober- und Untersee des Bodensees in Abhängigkeit vom Gesamtgewicht des jeweiligen Fisches (Untersuchungsprogramm 2020).

Wie gelangen PFAS in den Bodensee?

PFAS werden im Freiwasser nur in Spuren, d. h. wenigen ng/L, nachgewiesen. Laut Jahresbericht 2018/2019 der Internationalen Gewässerschutzkommission für den Bodensee (IGKB) ist PFOS mit Konzentrationen bis 0,005 µg/L (5 ng/L) vertreten. Insgesamt sind laut IGKB die Konzentrationen von PFOS seit 2015 gesunken. [7]

PFAS werden auf unterschiedlichsten Wegen in die aquatische Umwelt eingebracht. Die Ursache hierfür liegt in ihren besonderen physikalischen, chemischen und biologischen Eigenschaften, weshalb sie in vielen industriellen Bereichen wie dem Konsumgüterbereich Anwendung finden (z. B. in Imprägniersprays, Papier und Verpackungen, Outdoor-Bekleidung, Skiwachs). Potenzielle Eintragswege stellen die Produktion von PFAS und die Nutzung sowie die Entsorgung von PFAS-haltigen Konsumgütern dar.

Eine wesentliche Emissionsquelle sind z. B. industrielle und kommunale Abwässer. Abhängig vom Wasserverbrauch der entsprechenden Gemeinden kann die Gesamteinleitung von PFAS in die aquatische Umwelt, zwischen 10 g und 10 kg pro Tag liegen [8]. Einen weiteren Eintragspfad stellt die frühere Verwendung von PFOS-haltigen Feuerlöschschäumen auf Flughäfen - im Falle des Bodensees in Friedrichshafen und St. Gallen-Altenrhein - dar. Die Verwendung von PFOS in Feuerlöschschäumen ist inzwischen verboten. Außerdem können PFAS über atmosphärische Deposition, sowie Schneefall und Schmelzwasser in den Bodensee eingetragen werden.

Bedeutung der Ergebnisse

Im Rahmen des im Jahr 2020 durchgeführten Untersuchungsprogramms wurde in allen 140 untersuchten Fischfiletproben aus dem Ober- bzw. Untersee des Bodensees PFOS mit einer Konzentration von im Median 10,3 µg/kg nachgewiesen. Neben PFOS sind auch die Gehalte an PFOA, PFNA und PFHxS in die Berechnung einzubeziehen. PFNA wurde mit einer Konzentration von im Median 0,17 µg/kg nachgewiesen. PFOA und PFHxS waren nicht nachweisbar. Die Spanne der gemessenen Summenkonzentrationen ∑PFOS, PFOA, PFNA, PFHxS reicht von 1,8 µg/kg bis 30 µg/kg.

 

Die aktuellen Ergebnisse stellen keine neue Verunreinigung von Bodenseefischen mit PFAS dar. Allerdings werden perfluorierte Alkylsubstanzen aufgrund entsprechender Studien von der EFSA inzwischen sehr viel strenger bewertet.

 

Bodenseefisch trägt in der Regel nur zu einem sehr geringen Anteil zur Gesamtbelastung der Verbraucherinnen und Verbraucher mit PFAS bei. Daher und wegen der positiven Aspekte von Fisch in der Ernährung wird der gelegentliche Verzehr von Bodenseefisch im Rahmen einer ausgewogenen Ernährung nach aktueller Einschätzung weiterhin als nicht bedenklich angesehen.

 

Die EFSA hat angekündigt, eine ergänzende Stellungnahme zu Fisch zu erarbeiten, in der die positiven Eigenschaften der Inhaltsstoffe mit gesundheitlichem Nutzen gegen Substanzen mit einem gesundheitlichen Risiko abgewogen werden sollen. Daraus sollen auch Verzehrsempfehlungen und ggf. andere Maßnahmen abgeleitet werden, die die Mitgliedstaaten für ihre nationalen Risikomanagement-Maßnahmen nutzen können.

Trinkwassergewinnung aus dem Bodensee

Laut der Bodensee-Wasserversorgung wurde im aus dem Bodensee gewonnenen Trinkwasser eine PFOS-Konzentration in Höhe von 0,003 µg/L (3 ng/L) bestimmt. Weitere 17 PFAS, einschließlich der anderen von der EFSA bewerteten Einzelsubstanzen, waren laut Analyse aus dem Jahr 2020 nicht nachweisbar [9].

 

Für die Bewertung von PFAS in Trinkwasser sind in Deutschland die Leit- und Maßnahmewerte des Umweltbundesamtes maßgeblich. Die Konzentration von PFOS liegt mit 0,003 µg/L sehr deutlich unter dem entsprechenden Leitwert in Höhe von 0,1 µg/L [10], sowie unter dem Maßnahmewert in Höhe von 0,05 µg/L, der vom Umweltbundesamt im Dezember 2019 für die besonders empfindlichen Bevölkerungsgruppen Schwangere, stillende Mütter, Säuglinge und Kleinkinder bis zu einem Alter von 24 Monaten vorläufig abgeleitet wurde [11].

 

Literatur

(Internet Stand: Januar 2021)

[1] Opinion of the Scientific Panel on Contaminants in the Food chain on Perfluorooctane sulfonate (PFOS), perfluorooctanoic acid (PFOA) and their salts, The EFSA Journal 2008, Journal number, 653, 1-131

[2] Scientific Opinion on the risk to human health related to the presence of perfluorooctane sulfonic acid and perfluorooctanoic acid in food, EFSA Journal 2018, 16(12):5194, 284 pp.

[3] EFSA CONTAM Panel (EFSA Panel on Contaminants in the Food Chain), 2020. Scientific Opinion on the risk to human health related to the presence of perfluoroalkyl substances in food. EFSA Journal 2020; 18(9):6223, 391 pp.

[4] EFSA Scientific Committee; Guidance on selected default values to be used by the EFSA Scientific Committee, Scientific Panels and Units in the absence of actual measured data. EFSA Journal 2012; 10(3):2579

[5] CVUA Karlsruhe, Perfluorierte Tenside in Fischen aus dem Bodensee, 2009

[6] Internationale Bevollmächtigtenkonferenz für die Bodenseefischerei (IBKF), Gesamtbericht 2019 für den Bodensee Obersee; Bericht des staatlichen Fischereiaufsehers für den Untersee

[7] Internationale Gewässerschutzkommission für den Bodensee (IGKB); Bericht Nr. 43, Limnologischer Zustand des Bodensees, Jahresbericht 2018/2019

[8] Ahrens, L.; Bundschuh, M., Fate and effects of poly- and perfluoroalkyl substances in the aquatic environment: a review. Environmental Toxicology and Chemistry, 2014, 33 (9), S. 1921–1929

[9] Parameter, die im Trinkwasser der Bodensee-Wasserversorgung regelmäßig untersucht werden, aber nicht in den Anlagen der Trinkwasserverordnung (TrinkwV) enthalten sind

[10] Fortschreibung der vorläufigen Bewertung von per- und polyfluorierten Chemikalien (PFC) im Trinkwasser; Empfehlung des Umweltbundesamtes nach Anhörung der Trinkwasserkommission; Bundesgesundheitsbl 2017 · 60:350–352

[11] Stellungnahme zu einem vorübergehenden Maßnahmenwert für PFOA und PFOS (Umweltbundesamt)

 

Artikel erstmals erschienen am 17.03.2021 11:08:04

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